ARS LITTERAE 10: Die Knochenkirche, Alisha Bionda (Hrsg.) (Buch)

ARS LITTERAE 10
Die Knochenkirche
Alisha Bionda (Hrsg)
Cover und Innengrafiken: Crossvalley Smith (basierend auf Fotografien von Florian Hilleberg)
Fabylon, 2014, Paperback, 248 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-927071-86-5 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Eigentlich, so zumindest die feste bekundete Absicht der umtriebigen Herausgeberin, wollte Alisha Bionda aufhören, mit dem Kopf gegen Betonwände anzurennen. Sprich, sie hatte die Absicht, mit der Herausgabe von Anthologien aufzuhören. Zu vielfältig die Widerstände, mit denen sie zu kämpfen hatte, zu wagemutig vielleicht auch das verlegerische Risiko angesichts schmaler Kassen der Leserschaft um weiter Energie und Herzblut in etwas zu investieren, was später einmal, abgesehen von ein paar wenigen Fans, kaum jemand goutieren würde.

Florian Hilleberg und dessen Besuch in Kuttenberg (Kutná Hora), zehn Kilometer östlich von Prag gelegen, ist es zu verdanken, dass Alisha ihren Entschluss nochmals überdachte und die Sisyphusarbeit auf ihre schmalen Schultern lud, erneut eine Horror-Anthologie zu editieren.

Florian besuchte in seinem Urlaub die dortige Kapelle und stieß auf etwas, das wohl einzigartig auf der Welt ist.

1866 erwarb die Fürstenfamilie Schwarzenberg von Orlik das Kloster von der katholischen Kirche. Unter der Erde des Friedhofs ruhten mehr als 40.000 Skelette von Toten, die die Pest, aber auch der Krieg gegen die Hussiten, dahingerafft hatte.
Man beauftragte damals den Holzschnitzer František Rint damit, aus den Gebeinen ein einzigartiges Kunstwerk zu kreieren: die Knochenkirche, deren Wände, Decken und Leuchter aus menschlichem Gebein besteht.

Die Bilder, die Hilleberg damals schoss, dienten nicht nur Crossvalley Smith als Vorlage, um sie graphisch zu überarbeiten und als Illustrationen dem Band beizugeben, sondern auch als Inspiration für zehn Autoren des Düsteren und Makabren, um rund um diese morbide Kapelle ihre Phantasie spielen zu lassen.

Heraus kamen dabei Geschichten, die den Leser erschrecken, die geschichtliche Ereignisse aufgreifen und umdeuten oder abändern, die als Aufhänger für moderne Sagen dienen oder uns den Schrecken der damaligen Zeit darbieten.

Immer sind dies Erzählungen, die das Gebetshaus aus menschlichem Gebein als Aufhänger nutzen, um uns von Schicksalen zu berichten.

Von den durchgängig qualitativ hochwertigen Beiträgen haben mir persönlich die Geschichten von Tobias Bachmann (ein von den Toten Besessener reist zur Knochenkirche und wird dort in das Geheimnis, wie man mit den Toten spricht eingeweiht – allerdings kann er sich nicht lange an seiner neuen Fähigkeit erfreuen...) sowie Florian Hilleberg (Alles beginnt damit, dass ein neureicher Verbrecher eine der beiden Monstranzen besitzen will. Als er seine Diebe ausschickt, begegnen diese Gegnern, die sie nicht besiegen können…).

So unterschiedlich die beiden Storys auch sind, Tobias Bachmanns Geschichte lebt von ihrer Atmosphäre, der Zeichnung des Protagonisten, während uns Florian Hilleberg eine actionreiche Aufarbeitung kredenzt; beide Geschichte arbeiten das Grundmotiv ganz unterschiedlich aber in sich stimmig und den Leser packend in ihren jeweiligen Plot ein.

Einmal mehr bestätigt dieser Band, mit wieviel Sachkenntnis die Editorin ans Werk geht, wieviel Herzblut die Verfasser mit ihren Beiträgen beisteuern und was für Entdeckungen auf den Leser warten. So ist es letztlich an den Käufern, mit ihrem Zuspruch dafür zu sorgen, dass sich die Herausgabe rechnet – inhaltlich wird man auf jeden Fall bestens gruselnd und phantastisch unterhalten.