S. L. Grey: Labyrinth der Puppen (Buch)

S. L. Grey
Labyrinth der Puppen
(The Mall)
Aus dem südafrikanischen Englisch übersetzt von Manfred Sanders
Festa, 2014, Taschenbuch, 396 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-253-5 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

So landschaftlich bezaubernd die Landstriche Südafrikas und das Kap auch sind, die gesellschaftlichen Probleme in Johannesburg, Kapstadt und Umgebung sind erheblich. Dabei trennt sich die Spreu gern vom Weizen, soll heißen, den reichen Südafrikanern – zumeist Weißen – geht es gut, sie shoppen in den Konsumtempeln, die Mehrzahl der Dunkelhäutigen darbt am Existenzminimum.

So ist es kein Wunder, dass die dunkelhäutige Britin Rhoa, die nach einem tragischen Verkehrsunfall im Gesicht durch eine auffällige Narbe verunstaltet ist, in der Mall, dem Konsumtempel der Reichen, vom Sicherheitspersonal schief angesehen wird. So ganz daneben liegen die ehemaligen Cops dabei auch nicht. Auch wenn Rhoda gerade für ihre Cousine als Babysitterin eines weißen Jungen aushilft, muss sie doch ihren Dealer besuchen. Also rein den Jungen ins Auto und ab in die Mall – der Koks ruft. Sie parkt den Jungen in der Buchhandlung der Mall, doch als sie nach dem erfolgreichen Deal mit ihrem weißen Pulver zurückkommt, ist von ihm nichts mehr zu sehen. Verzweifelt macht sie sich auf die Suche – und stößt als heruntergekommene Schwarze schnell an ihre Grenzen. Eine ganze Wagenladung von Vorurteilen bricht über sie herein, bis sie, verzweifelt wie sie ist, den Buchhändler Dan mit einem Messer zwingt, ihr zu helfen. Ihre Suche führt sie nicht nur in einen aufgegebenen Anbau der Mall, sondern weit darüber – oder darunter – hinaus in eine andere Realität, in der der Kunde König ist, wenn er denn die Sonderangebote zu würdigen weiß…

Was uns das Autorenduo aus Südafrika hier vorlegt, ist ein Roman, der zunächst ganz im Hier und Jetzt ruht, dann aber schnell bizarre Züge annimmt.

In einem Südafrika der Jetztzeit, das die Autoren Sarah Lutz und Louis Greenberg überzeugend und realitätsnah darstellen, ohne dabei die Probleme des Landes in den Mittelpunkt zu stellen, begleiten wir unsere zwei abwechselnd als Erzähler auftretenden Dan und Rhoda bei ihrem Trip tief in die Geheimnisse der Mall.

Verklausuliert in der Handlung, die mit zunehmender Dauer des Romans immer beklemmendere, surreale Züge annimmt, rechnen die Autoren dabei mit dem modernen Konsumwahn ab, thematisieren sie die Sprachlosigkeit, das Alleinsein und die Vereinsamung der Menschen, die sich nurmehr über ihren möglichst ungezügelten Konsum definieren, statt mit Charakter, Mut und Individualität zu punkten. Das hat, gerade im Mittelteil als die Beiden doch reichlich lange durch die Tunnel, irren ein wenig seine Längen, überzeugt dann aber durch ein eindrucksvolles Finale, in dem wir unseren Personen in einer Umgebung, in der alles überwacht wird, folgen und dessen Faszination und Geborgenheit sie wie uns lockt.