Edward Lee: Der Höllenbote (Buch)

Edward Lee
Der Höllenbote
(Messenger)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Manfred Sanders
Titelillustration von Abe Robinson
Festa, 2014, Taschenbuch, 376 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-249-8 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Das idyllische Städtchen Danelleton in der Näh von Tampa, Florida, hat alles, was seine zumeist begüterte und weiße Einwohnerschaft schätzt. Jede Menge Vereine, die sich um die Freizeitaktivitäten sorgen, eine sensationell niedrige Verbrechensrate; vor gut 20 Jahren gab es einmal einen Serienmord, aber seitdem herrscht Ruhe und Frieden in der Kleinstadt. Bis das örtliche Postamt, das aus allen Nähten platzt, ihre vor Jahren geschlossene Niederlassung aus seinem Dornröschenschlaf weckt und das Morden wieder beginnt.

Als Erstes läuft eine Postbotin Amok. Nachdem sie ihren Sohn und Ehemann mit dem Messer massakriert hat, fährt sie in die Hauptpost, zückt ihre MP und mäht dreißig Menschen, Kollegen wie Kunden, nieder. Den einzigen Hinweis, den Polizeichef Steve findet, ist eine Zeichnung einer Glocke mit einem darunter befindlichen Stern. Doch die erste Mordserie ist nicht das Ende des Grauens in einer einstmals friedlichen Ortschaft. In einem katholischen Internat werden Mädchen wie Nonnen getötet, der Killer hängt sich an den eigenen Eingeweiden auf. Dann fliegt das Polizeirevier in die Luft, Täter: wiederum ein Postangestellter. Steve und Jane, die Chefin des Postamts, stehen dem Grauen zunächst hilflos gegenüber. Erst im Verlauf der Geschehnisse und Dank Hinweisen eines mysteriösen Wahrsagers, der im Auftrag des Herrn unterwegs ist, lichtet sich das Dunkel. Die Hölle hat ihre Sendboten ausgesandt, für Unruhe und Panik zu sorgen – und die Boten finden willige Helfer…

Edward Lee, diesjähriger Ehrengast auf dem Elstercon in Leipzig, ist dem Fan des etwas brutaleren Horrors wahrlich kein Unbekannter. Seine Bücher provozieren, gehen an und weit über die Grenzen des guten Geschmacks hinaus, bieten dabei aber immer auch eine phantasievolle Geschichte.

Umso überraschter war ich von vorliegendem Werk. Lee nimmt sich vorliegend deutlich zurück, erzählt eine faszinierende Story über die Heimsuchung eines kleinen Städtchens durch die Boten des Abendsterns. Ohne dass er vorliegend perverse Sexszenen oder unappetitliche Gemetzel in den Mittelpunkt stellen würde, unterhält er durch und mittels einer einfühlsam aufbereiteten Liebesgeschichte. Geschickt nutzt er die Grundidee der Heimsuchung einer homogenen Gemeinde durch das Böse, um schlaglichtartig seine Figuren zu beleuchten. Immer wieder stellt er uns ganz normale Menschen vor, die vom Bösen beeinflusst dann zu willfähigen Gehilfen des Boten werden.

In einem straffen Handlungsbogen bietet Lee uns so ein faszinierendes Bild einer Gemeinde, die zunehmend bedrängt wird, die aus ihrer normalen Ordnung fällt und in Angst versinkt. Dass und wie unsere beiden Hauptpersonen dann eingreifen, wie sie uns, ganz Lee-typisch, im Finale überraschen, trägt zu der großen Faszination des Romans bei.

Damit wir uns richtig verstehen, das ist beileibe kein weichgespülter Kuschel-Horror, da geht es bei der Kreuzigung von Kindern und dem Köpfen von Menschen ganz schön zur Sache, doch alles wohldosiert und inhaltlich passend eingesetzt, so dass den Leser ein überzeugender, harter Horror-Thriller erwartet.