James Bond 10: Der Spion, der mich liebte, Ian Fleming (Buch)

James Bond 10
Der Spion, der mich liebte
Ian Fleming
(The Spy Who Loved Me, 1962)
Übersetzung aus dem Englischen von Stephanie Pannen und Anika Klüver
Titelbild von Michael Gilette
Cross Cult, 2013, Taschenbuch, 218 Seiten, 12,80 EUR, ISBN 978-3-864250-88-0 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

In „Der Spion, der mich liebte“ wagt Ian Fleming ein Experiment. Erstmals wird das Abenteuer nicht in der dritten Person und aus der Sicht von James Bond erzählt, sondern in der ersten Person und aus der Sicht der hübschen Vivienne Michel, die unversehens zwischen Bond und seine Feinde gerät.

Vivienne ist auf der Flucht. Sie läuft vor ihrer Vergangenheit davon, vor den Schwierigkeiten, die sie sich dort eingehandelt hat, weil sie niemals wirklich dazugehört hat, weder in ihrer Heimat Quebec, noch hier. Auch ihre Beziehung mit Derek, in dessen starken Armen sie schon als Teenager Sicherheit suchte, ist zerbrochen, und nun reist sie ziellos durch die Vereinigten Staaten, um sich von einer illegalen Abtreibung zu erholen. Erschöpft und durcheinander nimmt sie sich ein Zimmer im einem Motel, mitten in der amerikanischen Provinz, nicht ahnend, dass damit ihre Schwierigkeiten erst anfangen. Denn dicht neben ihrer Zuflucht halten sich auch die Auftragskiller Sol Horror und Sluggy Morant auf – der eine pervers, der andere eiskalt. Als Vivienne zufällig mehr mitbekommt als ihr lieb ist, gerät sie in tödliche Gefahr und kann nur hoffen, dass der charismatische Engländer, der nun ebenfalls im Motel einkehrt, zu ihrer Rettung wird.

James Bond taucht tatsächlich diesmal erst nach der Hälfte des Romans auf. Im ersten Teil der Geschichte lernt der Leser nämlich erst einmal Vivienne Michel kennen, die verzweifelt auf ihr verpfuschtes Leben in Kanada zurückblickt und sich jetzt fragt, wie es weitergehen soll, wo sie es doch nicht einmal geschafft hat, zu einer selbstbewussten und starken Frau heranzuwachsen. Und auch jetzt hat sie sich den Problemen einer ungewollten Schwangerschaft nicht stellen wollen, sondern wieder nur den einfachsten Weg gewählt. Im zweiten Teil wird es dann etwas „ernster“ – denn die beiden Killer kommen ins Spiel und erkennen sehr schnell, dass Vivienne zu viel gehört und gesehen hat, so dass sie einiges zu erdulden hat, bis James Bond eingreift.

Es ist schon interessant, den Agenten einmal aus der Sicht eines unbescholtenen und manchmal ein wenig naiv wirkenden Mädchens kennenzulernen, aber ob Fleming wirklich gelungen ist, sich in eine Frau hineinzuversetzen, muss jeder Leser für sich entscheiden. Manchmal wirkt ihr Denken nämlich etwas seltsam, was auch daran liegen mag, dass der Roman schon über fünfzig Jahre alt ist. Auf jeden Fall backt der Autor in dem eher kurzen Roman kleine Brötchen, lässt Bond auf überschaubare Gegner treffen, die ihm nicht gewachsen sind. Das ist leider nicht ganz so spannend, wie man sich wünschen mag.

Alles in allem ist „Der Spion der mich liebte“ eine eher schwächere Geschichte der „James Bond“-Reihe, die man zwar ganz gut zur Entspannung lesen kann, aber nicht kennen muss.