Patrick Rothfuss: Die Furcht des Weisen 2 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 08. Februar 2012 18:17

Patrick Rothfuss
Die Furcht des Weisen 2
Die Königsmörder-Chronik – Zweiter Tag
(The Wise Man’s Fear)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Jochen Schwarzer und Wolfram Ströle
Titelillustration von Kerem Beyit
Klett-Cotta, 2012, Hardcover, 560 Seiten, 22,95 EUR, ISBN 978-3-608-938926-2 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Vorhang auf zur Fortsetzung der Biographie von Kvothe, dem Königsmörder, auch bekannt unter dem Namen Kvothe, der Blutleere.
Seit Kvothes Eltern, Edema Ruh, wie die fahrende Schauspieler und Musikanten genannt werden, von den Chandrian, mysteriösen Sagengestalten ermordet wurden, steht der junge Mann alleine auf der Welt. Mittlerweile hat sich der wissbegierige und talentierte Junge nicht nur an der Universität nahe Imre eingeschrieben und seine überragende Intelligenz offenbart, daneben sucht er weiter nach den Mördern seiner Eltern – und stößt allerorts auf eine undurchdringliche Mauer aus Schweigen und Furcht.
Sein Weg, nun seien wir ehrlich: sein zeitweilig taktischer Rückzug von der Universität, führte ihn an den Hof von Alveron. Dass er den Maer vor einem heimtückischen Anschlag retten kann, sichert ihm zunächst die Gunst des Herrschers, den er bei der Brautwerbung unterstützen soll. Als seine Aufgabe, natürlich erfolgreich, abgeschlossen ist, steht er dem jungen Glück im Weg. Doch welcher Herrscher hat nicht seine ganz eigenen Wege, einen unliebsamen aber nützlichen Mann aus seiner Umgebung zu entfernen? Eine Aufgabe ist schnell gefunden, werden doch die Steuereintreiber des Maer von einer ganzen Bande Wegelagerer regelmäßig überfallen und ermordet. Zusammen mit einer Gruppe Söldner spürt Kvorthe die Banditen auf und ruft mit seinen Gaben den Blitz auf deren Lager herab.
Auf dem Heimweg kommt er vom Wege ab. Zunächst folgt er den liebreizenden Verlockungen einer Fee, dann besucht er die Ademre, ein Volk, dessen Söldner legendär, dessen gestenreiche Sprache unbekannt und deren Geheimnisse wohlgehütet sind. Hier wird er zwei Monate lang ausgebildet, lernt andere Denkweisen und Philosophien kennen, bevor er als anderer Mensch, vielleicht ein wenig weiser, ein gehörig Maß gefährlicher und gereifter; an die Universität zurückkehrt…
Vor drei Jahren legte Klett-Cotta mit „Der Name des Windes“ einen Besteller auf, der allseits für Begeisterung sorgte. Ungeduldig warteten die Leser auf den zweiten Band der nun, aufgrund des Umfangs mit Billigung des Autors (vgl. hierzu Christian Endres' Artikel „Im Dialog“ in „phantastisch!“ Nr 44) in zwei Teilen erscheint.
Wie bereits im Auftaktband bietet uns Rothfuss zwei alternierende Handlungsstränge an. Ausgehend von dem etwas kauzigen aber allseits beliebten Wirt Kote, der in einem unbedeutenden Dorf lebt und hinter dessen unscheinbaren Äußeren keiner den legendären Kvothe vermuten würde, erzählt er einem Schreiber seine Memoiren. Immer wieder wird dabei die Ich-Erzählung Kvothes durch kurze Einschübe im Gasthaus unterbrochen, ohne dass diese Zäsuren den Handlungsfluss stören würden. Ganz im Gegenteil wird durch die Besuche im Gasthaus, die stilistisch in der allwissenden Erzählperspektive ausgeführt sind, die Neugier des Lesers noch genährt.
Eigentlich passiert in dem Buch über insgesamt 152 Kapitel nicht wirklich viel. Wir verfolgen Kvothes Bemühungen; sich zu bilden weiter, besuchen mit ihm die Musikkneipen Imres, den Fürstenhof des Maer, die Feenlande und die karge Heimat der Ademre. Und trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb? – liest sich der Text flüssig und unheimlich intensiv auf einen Rutsch durch.
Die erste Hälfte des zweiten Teils liest sich allerdings zunächst ein wenig handlungsarm. Seitenweise verfallen wir mit unserem Helden den Verlockungen der lasziven Fee, führt uns der Autor in die Welt der Ademre ein. Gerade aber letztere hat auf den zweiten Blick seinen besonderen Reiz. Hier schafft es der Autor, ohne,dass wirklich etwas passiert, uns mit seinen Beschreibungen der ganz anderen Kultur zu fesseln. Minimalisten im Wort drücken sich die Ademre hauptsächlich durch Gesten aus, ihre Philosophie verbindet tibetanisch-buddhistische Ansätze mit dem Taoismus, erinnert ein wenig an den Kodex der Samurai und ist doch wieder ganz anders und eigen.
Nach und nach baut sich vor dem inneren Auge des Lesers das Bild einer fremden Kultur auf, die in sich geschlossen und überzeugend wirkt, die Kvorthe als Menschen prägt und als Charakter fortentwickelt. Auf der Strecke bleiben in dieser Phase – und man darf hier nicht vergessen, dass dieser Teil im Original in der Mitte des Romans seinen Platz findet – die Nebenfiguren, die uns mittlerweile ans Herz gewachsen sind. Deren Platz nehmen neue Gestalten ein, kantige Figuren, nicht immer sympathisch, aber allemal interessant.
Zum Finale hin schließt sich der Kreis. Kvorthe kehrt an die Universität zurück, ohne bislang wirklich Bedeutendes geleistet zu haben oder in seine Suche nach Rache vorangekommen zu sein. So wird der Leser weiter ungeduldig auf den nächsten Teil warten, um zu erfahren, wie aus dem übermütigen, schlitzohrigen und aufgeweckten Studenten der Königsmörder und Blutleere geworden ist. Möge die Zeit dahin möglichst schnell vergehen.