Markolf Hoffmann: Das Flüstern zwischen den Zweigen (Buch)

Markolf Hoffmann
Das Flüstern zwischen den Zweigen
Titelbild und Umschlaggestaltung: benSwerk
Mit einem Vorwort von Jakob Schmidt
Shayol, 2011, Paperback. 176 Seiten, 13,90 EUR, ISBN 978-3-926126-98-6

Von Oliver Naujoks

Wie in anderen Genres auch, ist es in der Fantasy nicht anders: die kurze Textform fristet neben dem Roman eher ein Nischendasein auf dem Markt. Trifft man Anthologien mit Fantasy-Kurzgeschichten im deutschen Sprachraum nicht so selten an, sind Fantasy-Kurzgeschichtensammlungen einzelner Autoren schon eher eine Seltenheit. Insofern ließ es aufhorchen, dass der Fantasy-Autor Markolf Hoffmann, dessen Zyklus „Das Zeitalter der Wandlung“ in den letzten Jahren einen guten Ruf erworben hatte, nunmehr bei Shayol seine erste Kurzgeschichtensammlung vorlegt.

Der Band enthält acht kurze Texte des Autors, sowie ein Vorwort des Herausgebers und Szene-Kenners Jakob Schmidt. In diesem Vorwort führt Schmidt aus, dass er sich bisher nicht an den großen Zyklus von Markolf Hoffmann getraut hat, weil er allzu Konventionelles fürchtete, trotz positiver Stimmen, dass der Autor hier eher selten bewanderte Pfade einschlägt (dem Verfasser dieser Zeilen ging es bisher genau so). Solche eher selten betretenen Pfade, auf denen dorniges Gestrüpp bereits wuchert, attestiert der Herausgeber im Vorwort auch den Geschichten in diesem Band und insofern lässt sich auch der Klappentext hinten lesen. Bei näherer Betrachtung der Geschichten stellt sich aber heraus, dass die Werbung mit ‚fremd’ wirkenden Fantasy-Motiven bei Lesern eine falsche Erwartungshaltung wecken könnte, denn Hoffmann möchte sich keinesfalls mit Ungewöhnlichkeit überschlagen, vielmehr weisen viele der Geschichten eher eine kräftigen Dosis Horror oder zumindest Dark Fantasy auf. Lesern letzterer Genres wird vieles deshalb schon recht vertraut erscheinen, ungewöhnlich ist diese Sammlung dahingehend nicht.

Enttäuscht sollte man trotzdem nicht sein, denn stilistisch wie erzählerisch schreibt der Autor auf erfreulich hohem Niveau, sodass die Lektüre der Geschichten durchaus ein Vergnügen ist, auch wenn letztlich durchaus vertraute Wege beschritten werden, die gleichwohl nur etwas dunkler ausgeleuchtet sind. Schauen wir uns doch die einzelnen Geschichten kurz und mit, Warnung, dem einen oder anderen kleineren bis mittleren Spoiler an.

Die Auftaktgeschichte „Meine Jagd“ mischt Motive von Geisterjäger- und Sword & Sorcery-Geschichten, garniert mit einem leichten Schuss ins Orientalische, indem sie von einem Helden erzählt, der für einen Sultan Dämonen in einer abgelegenen Gegend erledigen soll. Die gut erzählte Geschichte hätte mit einer böseren statt einer ökologisch korrekten Pointe noch besser funktioniert.

Die Geschichte „Der Mann aus dem Wald“ erinnert nicht nur im Titel, sondern wirklich auch am Anfang, ein wenig an Stephen Kings kurzes Meisterwerk „The Man in the Black Suit“ von 1994, geht aber dann ganz eigene Wege und erzählt von einem Mädchen in einem Dorf, das sich in eine Art Baummenschen verliebt. Auch wenn die Handlung etwas schweratmig und konventionell wirkt, überzeugt die Geschichte mit einer dunklen, erdigen Sinnlichkeit um eine rachsüchtige Natur, die der Autor mit dichten Beschreibungen evoziert.

Die nachfolgende Geschichte, „Der Fluch im Farn“, variiert entfernt die Thematik der Geschichte davor um eine rachsüchtige Natur und erzählt von einer Dorfgemeinschaft, die regelmäßig einer Gruppe Druiden ein Kind als Menschenopfer bringen muss, wenn diese einmal im Jahr das Dorf heimsuchen, um die Natur zu besänftigen. Eine gut erzählte Dreiecksgeschichte mit einer bösen Pointe rundet diese ordentliche Story ab.

Der kürzeste Text des Bandes, die Geschichte „Am Strand“, ist auch anständig geschrieben, wiederholt aber eine allzu vertraut wirkende Mischung aus einer Strandräubergeschichte und Schuldgefühlen, sodass sie keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Die Titelgeschichte, „Das Flüstern zwischen den Zweigen“, komprimiert gekonnt eine ausufernd epische Handlung, für die manch andere Autoren drei dicke Wälzer gebraucht hätten, auf wenige Seiten, gehört aber trotzdem leider zu den schlechtesten dieses Bandes. Grund dafür ist, dass sie eine Attitüde durchweht, dass tote oder böse Elfen allen Ernstes ein frisches Erzählelement darstellen sollen. Da Dunkelelfen in Deutschland inzwischen sogar die Spiegel- Bestsellerliste (Markus Heitz „Albae“-Serie) erobert haben, liest sich die Geschichte mehr wie eine konventionelle Lockerungsübung, denn wie ein denkwürdiger Text.

Als Leser wird man aber gleich wieder versöhnlich gestimmt, denn mit „Die Kerker von Abîme“ folgt dann die stärkste Kurzerzählung des Bandes. Erzählt wird die Geschichte einer Stadt, von welcher aus man in die Kerker einer alten Abtei eindringen kann, um sich dort gefährlichen Monstren zu stellen und große Schätze zu heben. Wer sich fragt, warum in einem alten Abteikerker so viele Schätze lagern sollen und dies als Fantasy-Erzählelement unglaubwürdig findet, der hat wohl nie ein Rollenspiel gespielt, denn natürlich sind diese Kerker nichts anderes als eine Art „Dungeon“. Schnell merkt man, dass unser Held diesen Kerker nie erreicht und dass dieser auch nicht die Hauptrolle in dieser Geschichte spielt, in welcher der Protagonist rätselhafte Gilden-Seminare besuchen muss und aus unerfindlichen Gründen nie den Eingang in diese Kerker findet. Das Besondere an der Geschichte ist die starke Atmosphäre des nicht richtig greifbaren, schwebenden, was möglicherweise nicht ohne Zufall an Kafkas „Das Schloss“ erinnert. Hier haben Herausgeber und Klappentext einmal tatsächlich recht, diese Geschichte ist originell und herausragend – und ausgezeichnet geschrieben.

Die Geschichte „Feenholz“ chargiert am meisten Richtung Horror und wirkt in ihrer Mischung aus Anklage wider den Raubbau der Natur und saftigen Albtraumszenen wie, als hätten Edgar Allan Poe und Ursula K. LeGuin sich zu einer Kollaboration zusammengeschlossen.

Die abschließende Geschichte, „Grenzland“, überrascht den Leser damit, dass vertraut wirkende Fantasy-Konflikte ein außergewöhnliches Maß an Differenzierung angediehen wird. Die Geschichte ist ein klein wenig zu trocken, trotzdem aber eine interessante Genre-Variation und -reflektion.

Soweit zu den Geschichten im Einzelnen. Nicht nur Fantasy-Freunde mit einer Neigung zum etwas dunkleren Einschlag werden mit diesem Band ihre Freude haben und manche konventionellen Elemente nachsehen können. Empfehlenswert ist der Band aber insbesondere, weil der Autor auffallend gut seine Sprache beherrscht und Gedanken über Genre-Mechanismen auf interessante und intelligente Weise in seine Texte einbindet.