Ebony White: Unberechenbare Gier (Buch)

Ebony White
Unberechenbare Gier
Blue Panther Books, 2022, Taschenbuch, 176 Seiten, 12,90 EUR

Rezension von Irene Salzmann

Von Ebony White liegen derzeit bei Blue Panther Books die Kurzgeschichten-Sammlungen „Bluntly Honest - Durchtriebene Gier“, „Bluntly Honest - Unersättliche Gier“ und „Unberechenbare Gier“ vor. Man erfährt über die Autorin, dass sie in der Nähe von Magdeburg geboren wurde, Jahrgang 1987 ist und schon immer ihre Gedanken gern schriftlich festgehalten hat, was schließlich dazu führte, dass sie Geschichten in verschiedenen Genres zu schreiben begann.

Ob außer den drei genannten erotischen Büchern weitere Publikationen, womöglich unter ihrem Klarnamen oder einem anderen Pseudonym, vorliegen, ist nicht bekannt. Ebony White sagt von sich, dass sie ihre sexuellen Vorlieben in die Erzählungen einfließen lässt, dabei kein Ponyhof-Idyll schildert, sondern auch die dunklen Seiten der Begierden enthüllt.

„Unberechenbare Gier“ bietet elf solcher Geschichten sowie eine zwölfte, „Deine verfickte dunkle Seele“, die kostenlos im Internet mittels des beigefügten Codes heruntergeladen werden kann. Schon die Titel lassen ahnen, dass es keine aalglatten Storys sind mit und für brave Mädels.

 

Lia Mai hält es in der Enge ihres Zuhauses nicht aus und verschwindet. Obschon ihre Mittel begrenzt sind, macht sie sich wenige Sorgen um die Zukunft. Sie ist „Sexsüchtig“, und wenn sie dem Taxifahrer, dem Hotel-Angestellten oder einigen Gästen gegenüber nett ist, sind auch diese sehr entgegenkommend.

„Die versaute Sexsklavin“ Lori hat eigentlich alles, was man sich nur wünschen kann. Einziger Wermutstropfen: Ihre große Liebe Lucas macht keinerlei Anstalten, seine Frau zu verlassen, und wann immer Lori Zweifel befallen, dass sich jemals zu ihren Gunsten die Situation verändern könnte, und sie darum einen Schlussstrich ziehen sollte, packt er sein ‚überzeugendes Argument‘ aus.

Sura ist früh von zu Hause ausgerissen, lebt seither auf der Straße und schlägt sich mit Diebstählen durch. Wird sie erwischt, tauscht sie durch gewisse Gefälligkeiten den Verzicht auf eine Anzeige ein. Ob „Der notgeile Polizist“ sie auch wird laufen lassen?

Lehrling Sally ist in den schönen, aber verheirateten Anton verknallt und träumt davon, ihm näherzukommen. Als „Mein verfickter Arbeitskollege“ schriftlich ein Stelldichein mit verbundenen Augen im Behinderten-WC vorschlägt, scheinen sich ihre Sehnsüchte zu erfüllen. Wenig später erlebt sie eine unliebsame Überraschung.

Sirina darf sich in der Redaktion eines renommierten Aufklärungsmagazins umschauen. Das Erste, was sie zu Gesicht bekommt, ist, wie „Der notgeile Boss“ mit einer Mitarbeiterin in der Toilette seinen Spaß hat. Das Zweite, wie er den guten Artikel einer Kollegin verreißt und sie aufs Übelste beleidigt. Das Dritte, was er in der Hose hat und damit machen kann. Das Vierte ist dann die Überraschung für ihn.

Trotz elterlicher Bedenken ist „Schneeflittchen“ in eine Männer-WG gezogen. Jan und Joshua sind nett und heiß, und nur zu gern würde sie beide vernaschen. Die Gelegenheit ergibt sich schon bald, doch das Resultat ist nicht, was sie sich von der Sache erhofft hat.

Nachdem Alice schwer enttäuscht wurde, lässt sie niemanden mehr an sich heran. „Meine harte, dunkle SexVorliebe“ lebt sie an ihren Opfern aus und lässt die danach fallen. Der schüchterne Matze ist der perfekte Kandidat für die Realisierung ihrer Wünsche, aber diesmal hat Alice wohl den Falschen abgeschleppt.

„Die verfickte Hexe!“ Samantha will ihrer Konkurrentin Ashley den heißen Chris ausspannen, doch dieser nimmt sie nicht mal wahr. Mit Hilfe eines Zauberbuchs, dem sie gute Noten und andere Dinge verdankt, will sie das ändern. Zu spät merkt sie, dass es nicht Liebe ist, die ihre Hexerei bewirkt hat.

Ihre verfeindeten Familien dürfen nichts davon wissen: „Romeo vögelt Julia“. Sie wollen abhauen, aber das Geheimnis ist längst keines mehr, und die Tragödie nimmt ihren Lauf.

Um das Geld für die Behandlung ihrer kranken Schwester zu beschaffen, verwandelt sich die Putzfrau Sydney in „Die geile Diebin - Gierig versaut“, um ihren reichen Arbeitgeber zu beklauen. Unerwartet kehrt Emil zurück. Sydney kann ihre wahre Absicht bloß verschleiern, indem sie ihn, der ihr sehr gefällt, verführt. Ob das funktioniert?

Nelli arbeitet in einer Justizvollzugsanstalt und verguckt sich in den coolen Häftling Kai, der genau weiß, welche Tasten er bei ihr wie an einem Klavier drücken muss. Es gelingt ihm sogar, sie zu überreden, ihm die Flucht zu ermöglichen. Ein Happy End ist Nellis größter Wunsch.


Ebony White entführt ihre Leser - wie versprochen - nicht in die heile Welt von der ewigen sexuell befriedigenden und liebevollen Glückseligkeit. Das merkt man frühzeitig daran, dass ihre Akteure nicht die typischen Figuren in einem nachvollziehbaren Umfeld sind, in die man sich hineinversetzen kann und will. Die Protagonisten bewegen sich den Namen nach überwiegend im (anglo-) amerikanischen Raum, wahlweise in Randmilieus oder/und unter Neureichen.

Einige der erotischen Geschichten weisen einen vagen Krimi- und Mystery-Touch auf, doch kann man sie diesen Genres nicht wirklich zuordnen, weil die Spannungselemente zu gering sind und mit ihnen lediglich ein kleines Überraschungsmoment in die Story, mehr Abwechslung in die Auswahl an Erzählungen gebracht werden soll.

Die Anleihen, derer sich die Autorin ab und zu bedient, sind eindeutig: „Schneewittchen“, „Romeo und Julia“, „Der Zauberlehrling“, „Bonnie & Clyde“. Hier und auch in den anderen Storys nimmt das Verhängnis seinen Lauf, bekommen die Hauptfiguren nicht (alles), was sie haben wollten, folgt die Ernüchterung und Schlimmeres. (Moralische) Delikte werden bagatellisiert, manchmal vom Schicksal bestraft, manchmal nicht.

Dabei sind die sexuellen Praktiken nicht in allen Fällen hart. Die Schilderungen fallen deutlich aus; der Phantasie wird kaum etwas überlassen, ob es sich um Selbstbefriedigung handelt, Sex zu zweit, den flotten Dreier oder Dominanzspiele.

Die Autorin weiß mit Worten umzugehen und sich an ein Publikum zu wenden, das inmitten all der zumeist glücklich endenden Romane und Kurzgeschichten etwas anderes lesen möchte, das nicht Happy End belastet ist.