Laura Purcell: Die flüsternde Muse (Buch)

Laura Purcell
Die flüsternde Muse
(The Whispering Muse, 2023)
Übersetzung: Eva Brunner
Titelbild: Aymen Klidi
Festa, 2024, Hardcover, 444 Seiten, 26,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Einst, so lange ist es wahrlich noch nicht her, da war das Leben von Jenny zwar nicht wunderbar, aber doch zumindest geordnet. Ihr älterer Bruder hatte eine Anstellung als Schreiner beim Theater, sie diente als Zofe in einem der Adelshäuser der britischen Metropole. Dann brannte ihr Bruder mit der Hauptdarstellerin durch, nahm gleich noch alles, was der Familie von den verstorbenen Eltern an Schmuck und Ersparnissen verblieben war mit nach Amerika; Jenny wurde aufgrund des Skandals entlassen.

Jetzt versucht sie verzweifelt, ihre drei jüngeren Geschwister irgendwie durchzubringen - als sie eine Einladung von der Frau des Intendanten des Mercury Theaters bekommt. Das Angebot ist ebenso überraschend wie hilfreich. Für ein fürstliches Salär soll sie als Garderobiere die neue Hauptdarstellerin einkleiden und für die Bühne fertig machen - und für die Frau des Besitzers die bezaubernde Actress Lilith bespitzeln.

Als Lilith in den Besitz einer mysteriösen Uhr kommt, nehmen ihre Darstellungen auf der Bühne eine neue Qualität an. Sie spielt nicht länger die Figuren - sie ist die jeweilig verkörperte Figur. Als Lady Macbeth triumphiert sie auf den Brettern, die die Welt bedeuten - doch abseits des Vorhangs häufen sich unheimliche, tödliche Vorkommnisse. Hat Lilith wirklich, wie Gerüchte wissen wollen, einen unheiligen Pakt mit Melpomene, der Muse der tragischen Dichtung, geschlossen…?


Pünktlich zur Leipziger Buchmesse, auf der sie der gefeierte Stargast des Festa Verlages war, erschien Purcells neuester Roman.

Wie wir dies inzwischen gewohnt sind, erwartet uns erneut ein viktorianischer Thriller und wiederum hat sich der Verlag mit der äußeren Gestaltung selbst übertroffen. Eine wunderbar stimmige Cover-Abbildung nebst Verzierungen, dazu ein passender Rundumfarbschnitt und entsprechend gestaltete Vor- und Nachsätze nebst Lesebändchen - bibliophile Liebhaber schön gemachter Bücher haben bei den Purcell-Ausgaben immer etwas zu feiern.

Inhaltlich erwartet uns ein durchaus faszinierender Plot. Allerdings hat die Verfasserin dieses Mal mehr auf den Punkt geschrieben - sprich, die Figuren bleiben fast schon ein wenig im Hintergrund, der große Hauptdarsteller ist in meinen Augen das Theater selbst. Hier hat die Autorin uns ein, auch in Details, glaubwürdiges Bild der Bühne und ihrer Umgebung vermittelt, hat uns die Mechanismen rund um die Bretter, die die Welt bedeuten, gezeigt.

Stilistisch nicht so detailverliebt wie in den anderen Büchern, spinnt Purcell eine spannende Geschichte voller Geheimnisse. Das liest sich angenehm flüssig und flott, konzentriert sich auf die Geschehnisse, lässt aber die sonst von der Autorin gewohnte Detailversessenheit und Charakterzeichnung ein wenig vermissen.