Die Ritter von Heliopolis 1: Nigredo, das schwarze Werk (Comic)

Die Ritter von Heliopolis 1
Nigredo, das schwarze Werk
(Les Chevaliers d'Héliopolis 01: Nigredo, l'oeuvre au noir, 2017)
Text: Alejandro Jodorowsky
Titelbild und Zeichnungen: Jérémy
Übersetzung: Tanja Krämling
Splitter, 2019, Hardcover, 56 Seiten, 15,80 EUR

Rezension von Elmar Huber

Frankreich, 1778: Lange Zeit wollte sich im französischen Königshaus kein Nachwuchs einstellen. Erst die kruden Zeugungsanweisungen des Alchimisten Fulcanelli zeigen Wirkung, sodass Marie-Antoinette, umringt von ihrem Hofstaat, endlich den offiziellen Thronfolger Frankreichs zur Welt bringt. Unzweifelhaft handelt es sich bei dem Säugling um etwas Besonders, besitzt er doch beiderlei Geschlechtsmerkmale. 

Gleichzeitig entbindet die Bäckerstochter Charlotte ganz alleine und ohne Aufsehen einen Jungen, der ebenfalls auf das Konto König Louis XVI. geht. Ihrem stets prall gefüllten Busen und den Gelüsten des Königs ist es zu verdanken, dass sie es ist, die den offiziellen jungen Thronfolger säugt und ihm über Jahre hinweg mehr Mutter wird, als es Marie-Antoinette zu sein vermag. Charlottes eigenes Kind indes wird von einer Hündin gesäugt und aufgezogen.

1793: In den Wirren der Französischen Revolution ergibt sich die Gelegenheit, Louis XVII. vor dem Pöbel zu retten. Mittels einer List wird er im Kerker gegen den Bastard ausgetauscht, der kurz darauf getötet wird. Fulcanelli nimmt sich des Königssohnes an und bringt ihn in den geheimen Tempel der Ritter von Heliopolis, einer alchimistischen Vereinigung, wo er von da an nur „Siebzehn“ genannt wird.

1814: Nach zehn Jahren der Unterweisungen bei den Rittern von Heliopolis legt Siebzehn die Prüfungen und die Taufe ab, die ihn zu einem würdigen Schüler der Alchimie machen. Gleichzeitig lüftet Fulcanelli das Geheimnis um die lange gehütete Herkunft seines Schützlings. Immerhin ist Siebzehn der rechtmäßige König von Frankreich, von dessen Existenz nur wenige wissen.

Im Auftrag des Ordens reist Siebzehn inkognito zurück nach Paris, wo er die Krone seiner Vorfahrin Marie-Joséphe von Österreich aus den Händen des aktuellen Königs, Louis XVIII. (Bruder von Louis XVI.), stehlen soll. Mit diesem Gold könne eine Lösung zur Lebensverlängerung hergestellt werden. Tatsächlich gelingt es ihm, die Gunst des Königs zu gewinnen und sogar zu seinem persönlichen Leibwächter aufzusteigen.


Entgegen dem Titel erwartet den Leser hier kein Ritter-Epos, sondern eine mysteriöse Mär über den geheimnisvollen König von Frankreich, Louis XVII., den es so nie gab. Wikipedia klärt auf: „Sein (Louis XVI.) überlebender Sohn Louis Charles starb im Alter von zehn Jahren im Temple-Gefängnis.“. Kultautor und -regisseur Alejandro Jodorowsky („El Topo“, „Der Incal“, „Die Meta-Barone“) postuliert in seiner Geschichte, dass es der Bastardsohn des Königs war, der im Kerker ermordet wurde und der rechtmäßige Thronfolger unter die Fittiche der Ritter von Heliopolis, eine Vereinigung von Alchimisten, geraten ist.

Scheinbar mühelos schwebt man als Leser durch die sich rasant entwickelnde Handlung, die, bei Licht betrachtet, eine merkwürdige Genre-Mischung darstellt. Jodorowsky jedoch schafft es, dass man diese merkwürdige Geschichte mit ihren unvorhersehbaren Wendungen und phantastischen Auswüchsen zu keinem Zeitpunkt infrage stellt. Es fühlt sich alles richtig und passend an. Wie auch in seinen Filmen geht der Autor dabei nicht gerade verschämt zu Werke, doch steht alles im Dienst der Geschichte. Auffallend ist außerdem die treffsichere und alles andere als plumpe Charakterisierung der Protagonisten.

Erst kurz vor dem Ende dieses ersten Bandes beginnt das Abenteuer des erwachsenen Siebzehn. Sollte man annehmen, dass zehn Jahre in Gesellschaft von Alchimisten aus dem Kind einen weltfremden Sonderling haben werden lassen, wird man schnell eines Besseren belehrt. Bei seinem Einsatz in Paris zeigt sich Siebzehn, der sich jetzt Don Nadie nennt, schlau, eloquent, kampferprobt und als ein rechtes Schlitzohr, das sofort die Sympathien des Lesers gewinnt.

Der erste Band endet relativ offen, sodass man gespannt sein kann, welche weiteren Überraschungen der Autor bereithält.

Die Zeichnungen von Jérémy sind üppig und illustrieren perfekt das historische Setting. Die Dekadenz des Königshofes, die Kerker, die Geheimnisse des Ritterschlosses, alles ist wunderbar treffend und stimmungsvoll dargestellt, bis hin zu den Emotionen der Figuren.