Jörg Weigand (Hrsg.): Fantastische Wirklichkeiten - Die Bilderwelten des Rainer Schorm (Buch)

Jörg Weigand (Hrsg.)
Fantastische Wirklichkeiten - Die Bilderwelten des Rainer Schorm
p.machinery, 2021, Hardcover, 376 Seiten, 37,90 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Rainer Schorm - da klingelt es doch trotz rieselndem Kalk bei mir. Ich kenne den Badener als umgänglichen Menschen, sachkundigen Leser von Science Fiction, wunderbaren Illustrator und nicht zuletzt als einen der Exposé-Autoren der Neuschreibung der „Perry Rhodan“-Serie „Perry Rhodan NEO“.

p.machinery-Verlagsinhaber Michael Haitel hat dem Illustrator Rainer Schorm mit vorliegendem Band ein Denkmal gesetzt. Im quadratischen Format erschienen, erwartet ein sehr umfangreicher Band den Käufer, der ein wahres Fest für das Auge eines jeden SF-Begeisterten bereithält, den Käufer. Unzählige großflächige Abbildungen (zum Teil über eineinhalb Seiten gehend) der tollen SF-Kunstwerke des Künstlers, dienen einigen seiner Weggefährten als Inspiration für deren Beiträge.

Wie der Herausgeber wissen ließ, ging er bei der Kalkulation des Bandes an die Grenzen des Machbaren. Die hochwertige Ausstattung auf Kunstdruckpapier mit Fadenheftung, Lesebändchen, Zweispaltendruck und die vielen farbigen Illustrationen haben das Werk in der Herstellung nicht eben günstig gemacht.

Doch, und das darf ich vorwegnehmen, es hat sich wirklich gelohnt!

Ich war ganz hin und weg beim Betrachten der farbenprächtigen Bilder von Raumschiffen, fremden Planeten oder bizarren Landschaften. Dass hier kein falscher Eindruck aufkommt: Es handelt sich beileibe nicht um einen reinen Bildband. Die Illustrationen dienen, wie schon erwähnt, als Aufhänger zu Geschichten namhafter Verfasser.


Den Auftakt macht Schorm selbst, der in einer kurzen, intensiven Geschichte von der Tragödie einer Havarie erzählt.
Thomas Le Blanc berichtet von einem ganz ungewöhnlichen Erstkontakt.
Hans Jürgen Kugler schildert in einem sehr kurzen, prägnanten Beitrag den Beginn von Leben auf einem Planeten
Jörg Weigand berichtet von einer Erfahrung eines wissbegierigen fernöstlichen Mönchs, der eine andere Welt besucht und verändert zurückkehrt.
Monika Niehaus besucht mit ihren Leserinnen und Lesern erneut Donnas Kaschemme, deren Inneres Schorm in einem markanten Bild festgehalten hat. Hier berichtet die Crew der „Rosinante“ von ihrer Havarie auf Hunters Planet.
In Jürgen vom Scheidts Beitrag besuchen Aliens die Erde und suchen eine aufgeschlossene Testperson - was gar nicht so einfach ist, wie gedacht.
Klaus N. Frick erzählt von einer Welt, deren Bewohner einen anderen Weg gegangen sind. Einer Welt, in der sich Menschen in einem nie gekannten Maß veränderten, eine Welt, die einen Retter braucht.
Gisbert Haefs entführt auf einen gottesfürchtigen Planeten, auf dem einem gestrandeten Raumfahrer sein Hab und Gut entwendet wird - bis…
Jörg Weigand stellt uns einen wagemutigen Raumfahrer vor, der verändert in sich ruhend von seiner Expedition zurückkehrt und seinen Mitmenschen Rätsel aufgibt.
Monika Niehaus setzt Schrödingers Katze ein pointiert-kurzes Denkmal.
Werner Zillig berichtet vom Auswahlverfahren für Mars-Besiedler, die natürlich auch sexuell zueinander passen sollten.
Alexander Röder beschreibt eine Rettungsmission der kombinierten chinesisch-, indisch-, kongolesischen Raumschiffbesatzung auf dem Jupitermond Io - die auf etwas gänzlich Unerwartetes trifft.
Ellen Norten nimmt den Leser mit auf einen Planeten, der einst von einem tödlichen Virus heimgesucht wurde. Nachdem alle damaligen Siedler starben, suchte sich der Virus einen neuen Wirt.

Unter der Überschrift „Fantastik“ geht es bildlich wie textlich weiter. Allerdings offerieren uns Künstler wie Autoren nicht etwa High-Fantasy-Storys, sondern sind viel eher auf der dunklen Seite der Literatur unterwegs.

Karl Ulrich Burgdorf etwa entführt den Leser ins Kloster Sankt Anton. Eine Visitation der Hochedlen Dame steht bevor, ein Besuch, bei dem die Höchstedle einen Mönch als Sexualpartner aussucht.
Hans-Dieter Furrer stellt eine ehemalige Kirche vor, die zum Nachtclub umgewandelt wurde - mit drastischen Folgen, steht doch nun der Zugang zur Hölle offen.
Karla Weigand erzählt von der Heimsuchung des Gottesackers bei der Kirche zu Freiburg.
Udo Weinbörner entführt in ein aufgegebenes Luxus-Hotel im Schwarzwald, in dem die dort gewaltsam Umgekommenen nicht tot bleiben.
Michael Paltrow stellt eine Frau, eine Mutter vor, die ein letztes Mal ihre große Liebe, den Vater des Jungen trifft - einen Dämon.
Andreas Schäfer erklärt in einer Vignette den Unterscheid zwischen Atheisten und Glaubenden.
Dietmar Kuegler zieht es an den Drachenstein. Im Dämmerlicht des Burgbergs hat eine Wanderin eine heftige Vision.
Katja Göddemeyer entführt den Leser an die baskische Atlantikküste. Ein Surfer-Boy möchte einen letzten Ritt auf der Welle machen-
Sabine Frambach stellt eine traumatisierte Frau vor, die meint, ihr Mann sei ein anderes, fremdes Maschinenwesen.
Lucy Guth stellt einen Sternensammler und seine Gefährten, zwei Eisbären, vor. Zusammen sind sie auf der gefrorenen, menschenleeren Erde unterwegs. Als ein Sturm sie überfällt suchen sie Schutz in einer Kathedrale - und treffen dort nicht nur auf chitingepanzerte Bestien, sondern auch auf ein kleines Mädchen.
Rainer Schorm höchstselbst entführt uns dann noch einmal ins Sonnensystem - nach Neptun, auf dem die Expedition auf ein rätselhaftes Artefakt stößt.

Ein Interview von Jörg Weigand mit Rainer Schorm schließt den prächtigen Band dann ab.


Allen Beiträgen gemeinsam ist ihre hohe Qualität. Inhaltlich wie stilistisch überzeugen die Erzählungen, zeigen uns fremde Welten oder unheimliche Heimsuchungen und illustrieren diese durch die entsprechenden Bilder des Künstlers.