Genevieve Cogman: Die maskierte Stadt (Buch)

Genevieve Cogman
Die maskierte Stadt
Die Bibliothekare 2
(The Masked City)
Übersetzung: Dr. Arno Hoven
Bastei Lübbe, 2016, Paperback mit Klappenbroschur, 460 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-404-20803-6 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Sie lieben Bücher? Sie fühlen sich von dem Geruch, dem Erlebnis die Seiten aufzuschlagen angesprochen und fühlen sich in altehrwürdigen Bibliotheken geborgen? Nun, dann wären auch Sie vielleicht fähig, als Bibliothekar einer ganz besonderen Sammlung zu dienen. Die unsichtbare Bibliothek sammelt nicht nur jedes erschienene Buch, sondern auch die Varianten, die in Parallelwelten publiziert werden.

Dass Sie fremde Welten kennenlernen, dass Sie innerhalb der Bibliothek selbst nicht altern, steht auf der Haben-Seite; im Soll finden sich die einander und die Bibliothekare bekämpfenden Elfen und Drachen, die in menschlicher Verkleidung auf den Zielwelten versuchen, diese zu beherrschen. Kann ich den Beruf der Bibliothekarin oder des Bibliothekars also empfehlen? Nun, wenn Sie auch nur ein wenig Abenteuerblut in Ihren Adern haben und Bücher lieben, dann auf jeden Fall.

Kaum war ich, Irene Winters, einer Welt als Bibliothekarin fest zugeteilt, hatte ich eine dramatische Auseinandersetzung mit Lord Silver, einem hohen Elfen und zudem Kai, einen jungen Drachen als Auszubildenden am Hals, da meint es das Schicksal einmal mehr besonders gut mit mir.

Ein konkurrierender Elf entführt meinen Lehrling, den Drachen, tief ins Elfenreich um ihn dort zu versteigern. So etwas kann ich natürlich unmöglich auf sich beruhen lassen, so dass ich mich, in Verkleidung versteht sich, stante pede aufmache, Kai zu befreien.

An Bord von Pferd, einem Inter-Parallelweltlichem Zug, geht es zu einem Venedig tief im Reich des Chaos, wo mein Schutzbefohlener von skrupellosen Elfen gefangengehalten wird. Jetzt heißt es. Irene gegen die Elfen - und das auf feindlichem Boden, na ja besser in fremden Kanälen, doch mit der richtigen Motivation können Frauen, können Bibliothekarinnen fast alles erreichen - ob es dieses Mal, angesichts meiner Gegner aber reicht?


Genevieve Cogman setzt im zweiten ihrer bislang auf drei Romane angewachsenen Reihe um die unsichtbare Bibliothek genau da an, wo sie ihre Leser im Auftaktroman zurückgelassen hat. Ohne große Zäsur geht es weiter in dem faszinierendem Abenteuer um Drachen und Elfen, Menschen und Werwölfe, die in vielen Welten miteinander im Wettstreit liegen.

Neben der unbestritten wieder packenden Handlung füttert die Autorin ihren Plot geschickt mit weiteren Hintergrundinformationen zu den Drachen und Elfen an. Erstmals begegnen wir mit unserer Heldin einem der bedeutendsten Drachen, später lernen wir die hohen Elfen in ihrer natürlichen Chaos-Umgebung kennen. Mit jeder neuen Information, die die Verfasserin en passent in der temporeichen Handlung einfließen lässt, wird/werden die beschriebene(n) Welt(en) interessanter und in sich überzeugender.

Der Ortswechsel nach Venedig fügt dem Geschehen dann noch eine weitere, neue Ebene hinzu. Hier, tief im Reich der Elfen, ihrem angestammten Herrschaftsgebiet bekommen wir einen intimen Einblick und Zugang zu der nur auf den ersten Blick so menschenähnlichen Gesellschaft. Viel Schein, viel Täuschung bestimmt das Dasein der Elfen, trotz all des angestrebten Chaos ist Elf bemüht, die vorgegebenen Grenzen einzuhalten und nur ja dem Mächtigeren nicht unangenehm aufzufallen. Das erinnert in seiner Ausprägung etwas an starre fernöstliche Gesellschaftsformen, wird dann aber doch ganz anders und eigen mit Leben gefüllt.

Zur wunderbaren Kulisse eines etwas anderen Venedigs gesellt sich einmal mehr eine mutige, emanzipierte und tatkräftige Heldin, die sich nicht scheut, sich zum Wohl ihrer Freunde in Gefahr zu bringen.
So wuchert die Autorin neben der packend beschriebenen Kulisse und der interessanten Völker auch mit markanten Figuren, allen voran Irene, die uns schnell mit ihrer aufrechten, anpackenden Art für sich einnimmt. Aber auch die anderen Gestalten, Protagonisten wie Antagonisten, sind sehr interessant gezeichnet und fesseln den Leser.

Insgesamt passt das Gebotene einfach wunderbar zusammen. Wir haben eine tolle Erzählerin, die einmal mehr zeigt, dass das sogenannte schwache Geschlecht nicht wirklich schwach ist, eine klasse Abenteuergeschichte und das Ganze handwerklich noch ansprechend aufgearbeitet. Da kann man nur sagen: Bastei Lübbe, weiter so. Die Zeit bis zum Erscheinen des dritten, für Frühjahr 2017 in Vorbereitung befindlichen Bandes wird lang werden.