Anton Bärtschi: Die Reise nach Orb (Buch)

Anton Bärtschi
Die Reise nach Orb
Titelillustration von Reiner Eisenbein
ReDiRoma, 2013, Paperback, 320 Seiten, 17,95 EUR, ISBN 978-3-86870-553-9 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Martin ist ein Einzelgänger. Mit über 30 lebt er noch bei seiner Stiefmutter zuhause, lässt sich von ihr versorgen und tüftelt an seinen technischen Spielereien. Eines Tages findet er sich plötzlich in einer anderen Welt wieder. Zwar gibt es auch hier seine Stiefmutter, doch schon wie sie sich kleidet - Korsett, einen Zylinder und merkwürdige Brillenlinsen hängen um ihren Hals – hat er jetzt seinen Verstand verloren oder träumt er das alles nur?

Martin findet sich auf Tiffany wieder, einem Eisplaneten, der von riesigen Spalten durchzogen wird, in denen Menschen, Mechanische und Schremp, sechsäugige hypnotisch begabte Wesen, die sich von menschlichem Blut ernähren leben, wieder.

Als er einer Flüchtigen, Eliane genannt, das Fenster öffnet, ahnt er nicht, dass sein Leben damit nicht nur aufregender, nein auch gefährlicher wird. Angeführt von Eliane fliehen sie vor deren Verfolger in den Untergrund. Hier wartet bereits eine lange stillgelegte Dampflok auf sie, die sie eigentlich nach Stonehenge bringen soll. Sie ahnen es sicher schon, Martin hat nicht nur den Planeten gewechselt, auch die dort alltägliche Technik unterscheidet sich markant von der unsrigen. Statt Elektronik herrscht in den Labors auf Tiffany der Dampf und Æther vor, die Mechanik, teilweise in Nanoform, hat unsere Halbleiter ersetzt, ja überflügelt. Intelligente Mechanische, Hybride, wie Eliane und Ætherpistolen begegnen Martin auf seinem weiteren Weg.

Und der ist mehr als abenteuerlich. Er wird zum Tod verurteilt, trifft auf Eis-Piraten, fährt und havariert mit einem Luftschiff, nutzt einen Flugrucksack und legt sich mit dem Geheimdienst von Orb an - und all dies, nur um schlicht am Leben zu bleiben; was gar nicht so einfach ist…


Wir meinen sie ja eigentlich zu kennen, die Steampunk-Werke. Zumeist im Viktorianischen England angesiedelt, treffen wir hier auf Dampfgesellschaften, Reifröcke - und bleiben doch zumeist in bekannten Gefilden.  Anton Bärtschi geht einen anderen, einen frischen Weg. Statt des viktorianischen Londons stellt er uns einen ganz eigenen Planeten vor, auf dem er seine Handlung platziert.

Wie sein Erzähler Martin hierherkommt, interessiert ihn ebensowenig, wie die Existenz der gar merkwürdigen Wesen, die seine Welt bevölkern - dem Autor geht es darum, uns eine spannende Geschichte abseits ausgetretener Pfade vorzustellen.

Statt also klischeehaft dem Üblichen zu folgen, stellt er uns nicht nur eine eigene Welt vor, sondern zeigt uns auch eine Gesellschaft, die nach anderen Vorgaben funktioniert, die andere Weltmaßstäbe anlegt und ihre eigenen Moralvorstellungen hat. Überraschend und auffallend ist dabei, dass der Autor insbesondere starke, eigenständige Frauengestalten vorstellt.

Während Martin fast schon als zögerlicher Weichling porträtiert wird, übernimmt Eliane das Ruder des Handelns. Auch unterwegs treffen sie immer wieder auf Frauen, die emanzipiert agieren, in Führungspositionen wirken und im wahrsten Sinne des Wortes anführen.

Auch wenn Bärtschi fast ein wenig oft den Zufall nutzt, um seinen Plot voranzubringen, besticht der Text doch durch unheimlich viele Eigenheiten. Ideenreich präsentiert uns der Autor gar wundersame Erfindungen, seltsame Wesen und eine ganz ungewohnte Kulisse, die uns an die Seiten fesseln. Stilistisch unauffällig unterhält er seine Leser dabei kurzweilig, macht neugierig darauf, wie es in den beiden weiteren Bänden der Trilogie wohl weitergehen wird.