Oliver Plaschka: Das öde Land und andere Geschichten vom Ende der Welt (Buch)

Oliver Plaschka
Das öde Land und andere Geschichten vom Ende der Welt
Titelillustration von Karin Graf
Verlag Torsten Low, 2015, Taschenbuch, 274 Seiten, 13,90 EUR, ISBN 978-3-940036-33-9

Von Carsten Kuhr

Oliver Plaschka ist wahrlich kein Vielschreiber. Nur einige wenige Romane hat der Verfasser bislang publiziert, dazu gut ein Dutzend Kurzgeschichten - doch das, was ich bislang von ihm gelesen habe, machtenmich mehr als neugierig darauf, was er noch in petto hat.

Insoweit wartete ich ebenso interessiert wie gespannt auf seine erste Kurzgeschichten-Kollektion, in der er neben in längst vergriffenen Anthologien erstveröffentlichten Erzählungen auch neue Preziosen aus seiner Schreib-Werkstatt anbietet.

In dem kurzen, aber informativem Vorwort gibt er uns einen Einblick in sein literarisches Schaffen, und bemängelt, wie so viele, den Niedergang der Kurzgeschichte. Auch wenn sich immer wieder mutige Verleger finden, die Anthologien und Sammlungen veröffentlichen, reich werden kann man mit derartigen Büchern leider nicht. Und dabei, ich werde nicht müde, für die Kurzgeschichten eine Lanze zu brechen, sind es doch gerade die kurzen, pointierten Texte, die wie keine andere Form dazu geschaffen sind, den Leser in absonderliche Welten voller Phantasie, Ideenreichtum und Zauber zu entführen.

Plaschka hat in seinen Romanen bewiesen, dass er nicht nur das handwerkliche Rüstzeug hat, seine Leser in seinen Bann zu ziehen, sondern auch weiß, wie er Charaktere, Orte und nicht zuletzt Stimmungen beschreibt. Insoweit war ich mir bewusst, dass ich in dem kleinen Sammelband auf ein wahres Panoptikum an abwechslungsreichen Geschichten stoßen würde, die mich in andere Welten, phantasievolle Reiche entführen würden, in denen aber immer der Protagonist, sei er menschlich oder aus Stein, seine Gefühle, sein Denken und seine Erkenntnis im Zentrum stehen.

So sind die in diesem Band vereinten Storys wundervolle Beispiele dafür, wie abwechslungsreich, wie vielfältig und überraschend Palschka zu fabulieren weiß und somit eine Empfehlung wert.


Um was es im Einzelnen geht?

Nun, schon der Auftakt zeigt uns einen geplagten Charakter. Ein älterer Mann, der offensichtlich jahrelang unterwegs war und dabei Schreckliches erleben und Einsamkeit überstehen musste, findet sich kaum wieder in sein altes Leben ein. Auch wenn er als Held gilt, sich seine Töchter rührend um ihn kümmern, ist er innerlich doch immer noch weit draußen…

Ein Gargoyle erlebt die Welt doch etwas anders, als die Tauben, Mäuse oder gar die Menschen. Jahreszeiten gehen ineinander über, sein Blick auf die Umgebung aber bleibt immer gleich. Da können die Mäuse-Generationen ihm auch noch so viel berichten, gar zu gerne würde er einmal die andere Seite der Kirche erblicken, würde sich auf seinen Drachenschwingen vom Dachrand abstoßen und die Freiheit der Lüfte kennenlernen.

Haiti ist bekannt dafür, dass dort gar finstere Geister und ihre Priester ihr Unwesen treiben. Auch Sherlock Holmes, der von seinem Bruder ausgesandt wurde, ein aus dem Britischen Museum entwendetes Relikt zurückzuholen, muss feststellen, dass es, bei aller Ratio die sein Ich ausmacht, doch mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als angenommen.

Ein alter Mann begegnet uns in der nächsten, aufwühlenden Geschichte. Er leidet unter einer seltenen Krankheit, die ihn alle neueren Erinnerungen vergessen lässt. So lebt er in der Vergangenheit, hängt seinen Träumen und Hoffnungen nach, nicht ahnend, dass die Zukunft bereits hier ist und er zutiefst enttäuscht wäre, wenn er dies begreifen würde.

Melancholisch geht es weiter. Ort der Handlung ist eine vergessene Insel mitten im Ozean, die von einigen Familien bewohnt wird. Als eines Tages ein holländischer Segler anlegt, bietet sich den Jungen der Insel die Chance, endlich die weite Welt zu sehen - auch wenn sie dafür ihre Heimat und vielleicht mehr aufgeben müssen. Aber ist es das nicht wert? oder vielleicht doch nicht?

Im nächsten Beitrag lernen wir einen Menschen kennen, der plötzlich eine Stimme hört - ein Alien, eine Prinzessin, die die Zukunft kennt und ihm helfen will - oder doch nur Einbildung?

Ein Wiedersehen mit einigen Gestalten aus dem Kristallpalast gibt es in der nächsten Erzählung. Statt der Weltausstellung in London dient dieses Mal Paris als Ort der Handlung, eine große schwarze Katze spielt eine nicht unwesentliche Rolle und erneut gilt es, der Versuchung zu widerstehen - mehr wird nicht verraten.

In die Weiten des Alls entführt uns die nächste Erzählung. Lange vergessene Kulturen haben ein Transportsystem hinterlassen, das über die Nutzung der Raumkrümmung zeitloses Reisen ermöglicht. Eine Fehlfunktion führt dazu, dass eine Expedition ausgesandt wird, den Fehler zu suchen - wobei sie auf die vielleicht letzten Vertreter einer Rasse stoßen, denen das Schicksal gar übel mitgespielt hat.

Der letzte Wille eines Bibliothekars bringt eine gefeierte Reporterin der „Washington Post“ und den Enkel des Verstorbenen dazu, in die Library of Congress einzubrechen - auf der Suche nach einem Märchen.

Terroristen sind beileibe keine netten Menschen. Wenn sie Geiseln gefangengenommen haben und sich vor den sie verfolgenden Militärhubschraubern im südamerikanischen Dschungel verstecken, nimmt auch für die Söldner der Stress zu - zumal es irgendwann einmal jeder gegen jeden heißt.

Ist es der Tod oder doch nur ein ewiges Gefängnis, dem der Protagonist der nächsten Story ausgesetzt ist? In Norwegen, einst der gemeinsame Urlaubsort, die Hütte, in der er, sie sich wohl gefühlt haben, kommt es zur Krise.

Tief im Wald, da herrscht sie. Wenn die Zeit am tiefsten steht, offenbart sie sich und beantwortet die Frage eines Einsiedlers, wohin nur dessen Frau verschwunden ist.

Der Orientexpress, ein Zug, der in Richtung Konstantinopel unterwegs ist und in dem ein amerikanischer Journalist eine gar merkwürdige Begegnung mit einem Dieb hat. Dieser erzählt unserem Reisenden eine spannende Geschichte vom bevorstehenden Weltuntergang, wenn nicht…

Den Weltuntergang ganz anderer Art beschreibt die letzte Geschichte. Es geht um die existentiellen Fragen der Menschheit: Gibt es Gott, hat unser Leben einen Sinn, gibt es ein Leben nach dem Tod? Antwort soll ein gigantisches Experiment in der Antarktis geben.