The Witcher 1: Im Glashaus (Comic)

Paul Tobin
The Witcher 1
Im Glashaus
(The Witcher 1-5)
Zeichnungen: Joe Querio
Übersetzung: Joachim Körber
Panini, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 132 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-95798-051-9

Von Frank Drehmel

Gamer werden „The Witcher“ möglicherweise aus der gleichnamigen PC-Spiele-Reihe des polnischen Entwicklers CD Projekt Red kennen. Allerdings ist die Figur des Geralt von Riva, des Hauptprotagonisten, deutlich älter als das Spiel, basiert sie doch auf Erzählungen des Schriftstellers Andrzej Sapkowski, welcher den Charakter schon 1986 zum Leben erweckte.

Gerade rechtzeitig zum für Februar 2015 angekündigten Release des abschließenden dritten Teils der Spiele-Trilogie, veröffentlicht Panini die fünf „Witcher“-Comics von Dark Horse. Während für das Szenario und die Texte mit Paul Tobin ein Routinier mit reichhaltiger Comic- und Roman-Erfahrung verantwortlich zeichnet, ist für die grafische Umsetzung der Newcomer Joe Querio zuständig; eine Tatsache, die angesichts der Qualität des Artworks überrascht.

Am Rande des Dunklen Waldes im Lande Angren begegnet Geralt, der Hexer, einem Mann – Jakob, dem Jäger –, der gerade in einem dunklen Fluss einen veritablen Fisch geangelt hat. Die beiden Männer kommen über einer gemeinsamen Mahlzeit schnell ins Gespräch und Geralt erfährt von der verstorbenen Frau Jakobs, die sich als Untote ständig in dessen Sichtweite aufhält – die ihrem Mann zwar nicht Böses antut, die aber Jakob dennoch mehr und mehr fürchtet. Auch aus diesem Grund beschließt der Jäger, den Hexer auf seinem weiteren Weg zu begleiten; und dieser Weg führt mitten durch jenen Dunklen Wald, um den sich zahllose furchterregende Geschichten ranken.

Tatsächlich dauert es nicht lange, bis die beiden Männer nicht nur ersten Ungeheuern begegnen, sondern sich auch verirren. Auf ihrer Flucht vor den Monstrositäten verschlägt es sie in einen uraltes, mitten im tiefsten Wald gelegenes, unheimliches Anwesen, in ein altes Herrenhaus, das ihnen zwar Schutz bietet, in dessen zahllosen Zimmern und Gängen düstere Bilder von den Gräueln der Waldbewohner künden. Und die beiden sind nicht alleine: auch die stumme, tote Gattin Jakobs – Marta – hat ihren Weg in das Haus gefunden; zudem finden sie in Räumen unzählige Leichen in unterschiedlichen Stadien des Verfalls – und sie teilen ihre Zuflucht mit einem Sukkubus namens Vara.

Zumindest dieses Wesen, diese junge Frau, erweist sich den beiden Männern wohlgesonnen, teilt Geralt jedoch mit, dass – wie sie selbst – auch er und Jakob, das Haus nicht mehr verlassen können, sie also in dem unheimlichen Gemäuer gefangen sind. Als Geralt dennoch die Flucht versucht, muss er erkennen, dass die Wesen des Waldes draußen zu mächtig sind. Und es stellt sich heraus, dass auch Jakob ein schreckliches Geheimnis hütet – und Marta nicht das ist, was der Jäger behauptete.

Immer wenn ein Videogame-Franchise-Comic den Weg zu mir findet, bin ich ex ante geneigt, meine Erwartungen deutlich herunterzuschrauben, denn zu oft wirken diese Werke wie hingeschluderte, eher unwillig ausgeführte Auftragsarbeiten.

Überraschung! „The Witcher“ überstrahlt wie ein Fanal die Phalanx dieser belanglosen Comic-Adaptionen!

Schon das Eröffnungspanel strahlt jene düstere Atmosphäre aus, die sich im Laufe der Geschichte immer stärker intensiviert und verdichtet. Dabei entwickelt sich die Story vergleichsweise ruhig und – bis auf kleinere illustrierende Rückblenden – linear; und die Charaktere – insbesondere der Hauptprotagonist Geralt – kommen eher lakonisch beziehungsweise unberedt daher. Dennoch erschaffen Tobin und Querio durch Andeutungen visueller und erzählerischer Art und mit kolorativer Unterstützung Badillas eine unheimliche, klaustrophobische Stimmung, die an Film-Klassiker wie „Die drei Gesichter der Furcht“ und „Bis das Blut gefriert“ oder an Mike Mignolas „Hellboy-“ und „B.P.R.D.“-Storys erinnert; Letzteres möglicherweise auch deshalb, weil der Künstler hier schon illustrativ tätig gewesen ist und in einigen Figuren-Konzepten sowie seinem Umgang mit Schatten und in dem sehr skizzenhaften, leicht kantigen Duktus die Nähe zum Mike Mignolas Stil offenbar wird.

Erfreulich und erfrischend ambivalent gestaltet Tobin seine Protagonisten, angefangen bei Vara über Marta und Jakob bis hin zu Geralt. Weder sind sie strahlende Helden, noch abgrundtief böse, sondern wirken in ihrem Tun und Lassen und trotz aller Fähigkeiten menschlich zerbrechlich oder zerbrochen – körperlich wie emotional.

Fazit: Allerfeinste, düstere und klaustrophobische Sword & Sorcery in der Tradition von „Hellboy“. Ein echtes Fantasy-Highlight, das Lust auf die zugrundeliegenden Romane und das Spiel macht.