Andreas Eschbach: Der Jesus-Deal (Buch)

Andreas Eschbach
Der Jesus-Deal
Lübbe, 2014, Hardcover, 733 Seiten, 22,99 EUR, ISBN 978-3-431-03900-9 (auch als eBook erhältlich)

Von Karl E. Aulbach

So mancher kann sich gewiss noch gut an die Anfänge von Andreas Eschbachs Erfolgen erinnern. Das erste ‚große‘ Buch war wohl „Die Haarteppichknüpfer“, für das er seinerzeit auch zu Recht mit dem SFCD-Literaturpreis beziehungsweise jetzt Deutschen Science Fiction Preis ausgezeichnet wurde. Bei der damaligen Preisverleihung in Saarbrücken wurde in einer anderen Kategorie Marcus Hammerschmidt ausgezeichnet, ein ebenfalls exzellenter Autor, der aber in der Folge leider nicht den ganz großen Durchbruch schaffte.

Dass dies Andreas Eschbach gelungen ist, liegt zu einem guten Teil an seinem Bestseller-Roman „Das Jesus-Video“, in dem es darum geht, dass bei einer archäologischen Ausgrabung in Israel ein elektrisierender Fund gemacht wurde. Bei einem Toten wurde die Beschreibung einer modernen Video-Kamera gefunden, die ausweislich entsprechender Papieruntersuchungen dort seit 2000 Jahren begraben ruhte. Noch aufregender war die Tatsache, dass eine entsprechende Kamera zum Zeitpunkt der Entdeckung noch gar nicht ‚erfunden‘ war, sondern nur als für in ein paar Jahren zu entwickelndes Forschungsprojekt existierte. Die Vermutung, dass ein Zeitreisender Aufnahmen von Jesus Christus gefertigt hatte, lag nahe. Aufgrund von weiteren gefundenen Aufzeichnungen entbrannte ein Wettlauf zwischen verschiedenen Beteiligten wie einem Medienmogul, dem Vatikan und dem damaligen unabhängigen Hauptprotagonisten Stephen Fox nach der Kamera und dem Filmmaterial. Das Ende des Buchs ließ etliche Interpretationen zu. Schon die Verfilmung des Buchs, die viel zu Eschbachs Ruhm beitrug, hat hier einiges ausgeschöpft.

Nach vielen Jahren hat Eschbach nun das Thema wieder aufgegriffen und mit „Der Jesus-Deal“ eine Art Fortsetzung geschrieben. Das Ganze war ein äußerst schwieriges Unterfangen, da zum einen in der Vorgeschichte doch etliche Pflöcke gesetzt wurden, zum anderen aber auch irgendwie eine ‚neue‘ Geschichte erzählt werden musste. Noch schwieriger wurde das Ganze, weil Eschbach seine äußerst vorsichtigen Interpretationen nicht erweitern wollte und auch hier, wie bei der Vorgeschichte, die sich eigentlich aufdrängenden theologischen Aspekte bis auf einige Allgemeinplätze außen vor gelassen hat.

Ansatzpunkt für die neue Story war somit folgerichtig nicht mehr das Auffinden des Artefakts und die sich daraus ergebenden Konsequenzen, sondern die Zeitreise, die nach den Erkenntnissen des „Jesus-Videos“ eigentlich in wenigen Jahren stattfinden sollte. So ist aus dem „Jesus-Deal“, der natürlich in der Allgemeinen Reihe läuft, eigentlich ein richtiger SF-Roman geworden.

Eschbach, als versiertem SF-Autor, ist es auch ganz gut gelungen, mit den Verstrickungen der Zeit umzugehen. Für viele Unwahrscheinlichkeiten hat er, wenngleich manchmal weit hergeholte, aber dennoch akzeptable Erklärungen gefunden, und es macht durchaus Freude, diesen Fäden zu folgen.

Der Einstieg in die Geschichte ist indes trotzdem etwas krass. Der neue Protagonist, der Sohn eines superreichen christlichen Fundamentalisten, wird ausführlich als sehr zwiespältige, nicht wirklich bösartige, aber charakterschwache Person vorgestellt, die dem Leser wenige Identifikationsmöglichkeiten bietet. Dieser Anfangsteil des Buches erscheint als deutlich zu langatmig und gibt nur bruchstückhaft Informationen wieder, die die Haupthandlung vorantreiben, wenngleich der dargestellte religiöse Fanatismus, vor allem des Vaters, am Ende des Buches eine maßgebliche Rolle für das Verständnis der entsprechenden Entwicklungen bilden.

Für diejenigen, die das Buch noch nicht gelesen haben, möchte man nicht zu viel verraten, aber Ziel der geplanten Zeitreise war letztlich nicht, Kamera-Aufzeichnungen von Jesus zu fertigen, sondern eine Aktion mit wahrhaft apokalyptischen Folgen auszuführen.

Die Hauptpersonen des „Jesus-Videos“ tauchen später auch auf und übernehmen mehr oder weniger die Rolle der Sympathieträger. Das mag insbesondere die Leser des „Jesus-Videos“ überraschen, die den eingangs genannten Medienmogul als großen, fast schon kriminell zu nennenden Gegenpart erlebt haben, während er hier überaus sympathisch und sogar heldenhaft auftritt. Es ist eine der großen Stärken des neuen Romans, diesen Wandel vom Saulus zum Paulus glaubwürdig darzustellen und gewiss die stärkste Geschichte in der Geschichte.

Das Ende des Romans wird die Freunde des actionreichen Thrillers erfreuen. Wo der Anfang langatmig und die Mitte gediegen war, setzt das Ende des Buches auf sehr überraschende Weise ein ultimatives Bedrohungsszenario, bei dem sich die Handlung nahezu überschlägt.

Der „Jesus-Deal“ ist ein in sich sehr durchdachtes Werk, das fast schon spielerisch mit den notgedrungen auftretenden Unwahrscheinlichkeiten und Fallstricken einer Zeitreise umgeht; der ganze große Wurf ist es aber eher nicht. Das heißt nicht, dass das Buch nicht erfolgreich sein wird, im Gegenteil, die Leser des „Jesus-Videos“ werden sich diese ‚Fortsetzung‘ kaum entgehen lassen, auch wenn sie am Ende wahrscheinlich etwas enttäuscht sein werden, weil der Autor für jede Frage, die er beantwortet, mindestens zwei Neue aufwirft und – wie eingangs geschildert – auf genau die Fragen, die der Leser gerne beantwortet haben möchte, keine Antwort gibt.

Dennoch ist es eine große Leistung, die Fäden des „Jesus-Videos“ auf diese Weise aufzunehmen, gewisse als gesichert angenommene Erkenntnisse daraus glaubwürdig umzudeuten und der Geschichte so insgesamt eine ganz neue Richtung zu geben.