Fatale 4: Betet für Regen (Comic)

Ed Brubaker
Fatale 4
Betet für Regen
(Fatale: Pray for Rain)
Zeichnungen: Sean Phililips
Übersetzung: Arne Voigtmann
dani books, 2014, Paperback, 124 Seiten, 18.99 EUR, ISBN 978-3-944077-69-7

Von Frank Drehmel

Wenn in der aktuellen Comic-Szene ein kreatives Duo für (Crime) Noir-Comics abseits des Superhelden-Mainstreams steht, dann sind es der Autor Ed Brubaker und der Künstler Sean Phillips. Gemeinsam zeichnen die beiden, die Award-Nominierungen und -Auszeichnungen sammeln wie anderen Briefmarken und deren sporadische Zusammenarbeit mehr als 15 Jahre andauert, für Serien wie „Sleeper“, „Criminal“ und „Incognito“ verantwortlich.

„Fatale“, die in den USA bei Image erschien, ist ihre neueste gemeinsame Kreation, wobei die Serie im Juli 2014 mit Heft 24 beendet wurde. Die deutsche Veröffentlichung lag bisher beim Panini-Verlag, doch hier erschienen nur die ersten drei Tradepaperbacks – „Den Tod im Nacken“ („Death Chases Me“), „Hollywood Babylon“ „(The Devil's Business“) sowie „Westlich der Hölle“ („West of Hel“l). Über die Gründe der Einstellung zu spekulieren ist müßig, in den USA jedenfalls erwies sich „Fatale“ als Brubakers und Phillips bis dato pekuniär erfolgreichstes Teamwork. Mit dani nooks hat zumindest der vierte und vorletzte Sammelband der Reihe, welcher die Hefte 15 bis 19 umfasst, einen neuen Verlag gefunden; bleibt aus Fansicht zu hoffen, dass auch der Abschlussband, „Curse the Demon“, seinen Weg in die Comic-Läden findet, zumal man sich verlagsseitig bemüht hat, Paninis Buchrücken-Design so weit wie technisch möglich fortzuschreiben, ein Umstand, der Sammlerherzen höher schlagen lässt.

Die Lebenswege der Menschen, die Josephines Bekanntschaft machten, scheinen anschließend ins Chaos und in den Untergang zu führen: Nicolas Lash ist einer der Männer, die alles verloren, bis auf seine Obsession für die geheimnisvolle Frau. Nun sitzt er im Knast und wartet, von anderen für verrückt gehalten, auf seinen Prozess, als ihn ein Fremder – Nelson – mit Gewalt aus den Klauen der Justiz befreit. Auch wenn Lash die Motive seines Retters nicht durchschaut, wird ihm eines schnell klar: der Mann ist ein brutaler Killer und er kennt oder kannte Josephine.

Josephines Spur führt zurück in die Mitte der 90er Jahre nach Seattle, der Geburtsstadt des Grunge – in eine Zeit, als Kurt Cobain sich schon auf den Weg ins Nirvana begeben hatte: Lance, Mitglied einer jener zahllosen (fast) erfolglosen Seattler Grunge-Bands, findet die augenscheinlich schwerverletzte, leicht bekleidete Josephine auf einer einsamen Landstraße, als er von einem erfolgreichen Banküberfall in das abgelegene Domizil der Band zurückkehrt. Daheim stellt sich heraus, dass das Blut, das die Frau bedeckt, nicht das ihre sein kann, und dass sie ihr Gedächtnis verloren hat. Überwältigt von der Schönheit und der Hilflosigkeit Josephines, beschließt die Band in einer Abstimmung, ihr Obdach zu gewähren. Und in der Tat entwickelt sich die Fremde zu einer Art Muse, gibt den frustrierten Musikern ihren Esprit, ihre Kreativität und die Lust an der Musik zurück, ohne dass diese merken, dass sie den Weg in ihren Untergang einschlagen, zumal sich ein psychopathischer Serien-Killer ebenfalls auf der Such nach Josephine befindet.

Wie schon die ersten Story-Handlungsbögen, überzeugt auch dieser vierte, in den 90ern angesiedelte Handlungsbogen, in erster Linie durch seine stimmungsvolle und stimmige Atmosphäre und in zweiter durch die markanten Figuren. Brubaker erschafft ein Szenario, in dem sich Elemente des Crime Noir, des Hard-boiled-Romans, einer blutigen Serial-Killer-Story und subtilem Horror zu einer düsteren Melange vermengen. Zugleich verankert er seine Geschichte durch zahlreiche Anspielungen in der realen Welt, etwa wenn er einen Protagonisten über Scott Walkers grandioses Solo-Album „Climate of Hunter“ sinnieren lässt oder indem er zeitgenössische Lieder und Namen quasi en passant einbaut.

Allerdings scheint es immer wieder, als wolle Brubaker zuviel; er verkompliziert die Story durch zahlreiche Rückblenden und mehrere Handlungsstränge und verliert dabei die Charaktere aus den Augen, die zwar unterm Strich alle prägnant und interessant gezeichnet sind, aber vergleichsweise plakativ und zum Teil sogar klischeehaft daherkommen. Zugute halten kann man dem Autor allerdings, dass die Story gänzlich ohne Sympathieträger auskommt, denn keine der Figuren ist unschuldig und rein. Im Gegenteil: Gerade Josephine stellt eine erschreckende und abstoßende Verantwortungslosigkeit beziehungsweise Amoralität zur Schau, wodurch sie andererseits ihrer Rolle als Femme fatale jedoch erst gerecht werden kann.

Sean Phillips’ Artwork ist in Verbindung mit der dunkel-erdigen Koloration einmal mehr makellos. Düster, hart und kantig lebt es von und durch die tiefen, zum Teil zerrissenen wirkenden Schatten und von Andeutungen; Andeutungen von Gräueltaten und Emotionen. In harten und rauen Zeichnungen visualisiert er Brubakers harte und raue Welt.

Fazit: Die intensive, authentische, düstere und zuweilen unheimliche Atmosphäre kaschiert vollends die kleineren Mängel in der Dramaturgie und Charakter-Zeichnung. Wer auf unterschwelligen Horror und Crime Noir steht, kann mit „Fatale“ nichts falsch machen.