Schnappt Jiro! – Eine Sushi-Mörder-Ballade (Comic)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 31. Dezember 2014 11:08
Schnappt Jiro! – Eine Sushi-Mörder-Ballade
(Get Jiro! Vol. 1)
Story: Anthony Bourdain & Joel Rose
Zeichnungen: Langdon Foss
Übersetzung: S.C. Kuschnerus
Panini, 2014, Hardcover, 160 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 9783957981103
Von Frank Drehmel
Zweifelslos gehören Koch-Shows mittlerweile zum den beliebtesten Formaten (nicht nur) im deutschen Free-TV; dass sich dabei in erster Linie Köche, die ebenso sicher nicht zur Crème de la Crème der internationalen (oder – oft – auch nur nationalen) Grande cuisine gehören, im Zweifel nur selbst vermarkten, nimmt man bei diesen intellektuell kaum fordernden Sendungen ebenso gerne in Kauf wie man glaubt, man könne durch allein schon das Zuschauen selbst Kochen lernen.
Ob man Anthony Bourdain, den Initiator und Co-Autor der vorliegende Graphic Novel, in die Reihe jener kulinarischen Selbstdarsteller einreihen möchte – immerhin gehört TV-Abstinenz nicht zu seinen hervorstechendsten Eigenschaften – sei jedem selbst überlassen; eines jedoch kann man ihm zugute halten: sein literarisches Œuvre beschränkt sich nicht auf Kochbücher, sondern hat eine deutlich belletristische Ausrichtung, wobei der gemeinsame Nenner jener Texte die Liebe zur Küche und zum Kochen sowie zu Land und Leuten ist.
In einer nicht allzu fernen Zukunft werden die Metropolen der Welt nicht mehr von Industrie-Tycoonen, Medien-Mogulen und Konzern-Vorstandsvorsitzenden beherrscht, sondern von Meisterköchen. Kulinarik ist gleichsam die neue Staats-Religion in allen gesellschaftlichen Schichten; und in den angesagtesten Restaurants sind Plätze so rar, dass Reservierungen mit einem Jahr Vorlauf die Regel denn die Ausnahme sind, ganz zu schweigen davon, dass es Individuen gibt, die dafür töten würden.
In einem abgewirtschafteten Vorort von Los Angeles betreibt Jiro eine Sushi-Bar. Er ist nicht nur ein Meister seines Fachs, sondern sein Ruf ist zumindest in seiner Community geradezu legendär. Mit der gleichen Sorgfalt, mit der Jiro sein Sushi zelebriert, köpft er auch Gäste, die Califorina Rolls bestellen oder seine Kunstwerke in Wasabi ertränken; seitens der örtlichen Polizei sieht man ihm den Jähzorn nach, denn – wie gesagt – Jiro-Sans Sushi ist unfassbar gut.
Eines Tages dringt sein Ruf zu den beiden mafiosen Meisterköchen der nahegelegenen Metropole vor, die nicht nur am Herd einen erbitterten Konkurrenzkampf ausfechten, sondern die auch vollkommen unterschiedlichen Koch-Philosophien folgen und zudem keinerlei Probleme damit haben, Konkurrenten, Lieferanten oder Kunden – buchstäblich – an die Schweine zu verfüttern. Und plötzlich findet sich der ansonsten zurückhaltende Jiro, der selbst eher auf deftige, einfache Küche steht und eigentlich nur seine Ruhe haben möchte, in einem erbitterten, brutalen Streit wieder, in dem es um ihn, um seine Gunst und um Kunst geht. Und um diesen intrigenreichen Zwist zu überleben, braucht es mehr als nur den meisterlichen Umgang mit dem Filetiermesser. Dennoch, solch ein 150cm langes Moguro Bocho ist schon nützlich, wenn es um den Kampf Mann gegen Mann geht.
Obgleich mit Bourdain ein Koch als (Co-)Autor verantwortlich zeichnet und obwohl dieser Background in mehreren Szenen in der Liebe zu Details erkennbar wird, handelt es sich bei „Schnappt Jiro!“ unterm Strich um ein – originelles – „Action Comic“ mit einer vergleichsweise simplen Story und starken satirischen beziehungsweise ironisch-humorvollen Untertönen. Wirklich tiefe, realistische Einblicke in das Kochhandwerk erhält der Leser nicht, denn dafür sind Szenario und Figuren zu sehr überzeichnet und karikiert. Das tut dem Unterhaltungswert allerdings keinen Abbruch – im Gegenteil: die Figuren sind in ihrer Überzeichnung markant und geben der einfachen Geschichte durch ihre Facetten und Kontraste – Kontrasten zwischen den Charakteren, aber auch zwischen Anspruch und Wirklichkeit – erst Substanz und Halt. Insbesondere Jiros vielschichtiges Auftreten sorgt für anhaltend gute Laune: Auf der eine Seite agiert er bei der Zubereitung seiner Speisen mit perfektionistischer Akkuratesse, anderseits ist seine Arbeitskleidung – freundlich ausgedrückt – von eher minimalistischer Sauberkeit; und arbeitet er selbst mit den exquisitesten, dekadentesten und teuersten Zutaten, so bevorzugt sein eigener Gaumen Fast Food aus einer mobilen Garküche, Blutwurst oder Pot-au-feu.
Zum Kontrastreichtum trägt auch das Artwork Langdon Foss’ bei, dessen zeichnerische Umsetzung insbesondere der Figuren stark an Steve Dillons klare, messerscharfe Linienführung erinnert, auch wenn Foss’ Artwork einen Hauch elaborierter erscheint. Und ähnlich wie Dillon versteht sich auch Foss in der expliziten Darstellung von Gewalt, in der er trotz aller Obszönität und Grausamkeit immer visuell ein Hauch von Komik mitschwingen lässt.
Fazit: Eine leichte, humorvolle und actionreiche Story vor einem originellen Hintergrund; wegen der satirischen Untertöne eher für Koch-Show-Hasser denn passionierte Erbsenpuhler und Zwiebelschneider.