George R. R. Martin: Armageddon Rock (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 27. Dezember 2014 10:02
George R. R. Martin
Armageddon Rock
(Armageddon rag)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Peter Robert
Golkonda, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 392 Seiten, 16,90 EUR, ISBN 978-3-944720-35-7 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Beim riesigen Open-Air-Konzert in West Mesa 1971 wurde Patrick Henry „Hobbit“ Hobbins, charismatischer Leadsänger der Superrockgruppe Nazgul, während ihres letzten Stückes an diesem Abend, dem „Armageddon Rag“, erschossen. Der Mörder wurde nie gefasst.
13 Jahre später, am Todestag Hobbits, wird der Ex-Manager der Gruppe rituell ermordet. Über dem West-Mesa-Konzertplakat wird ihm zum Nazgul-Titel „Music to wake the Dead“ sein Herz aus dem Leib gerissen. Vom Mörder fehlt wieder jede Spur.
Für den früheren Untergrund-Journalisten Sandy Blair beginnt damit eine Odyssee quer durch den Kontinent und durch Raum und Zeit. Er untersucht den Mord, wird dabei immer tiefer in ein apokalyptisches Drama gezogen. Alte Freundschaften und Gefühle tauchen wieder aus der Versenkung auf, die radikalen Demos gegen den Vietnamkrieg, die Revolution der 60er Jahre gewinnen an Realität. Fast scheint das verloren geglaubte Feeling seiner zornigen Generation, die jetzt in dreiteiligen Anzügen die Chefetagen dominiert, wiedergefunden! Dunkle, apokalyptische Mächte benutzen die Kraft des Rock’n’Roll, bringen die Nazgul wieder auf die Bühne und verschaffen dem Text des Rag Schritt für Schritt einen Weg in die Wirklichkeit!
George R. R. Martin, der Qualität weit über Quantität setzt, legt mit seinem dritten Roman ein sprachlich herausragendes, sehr persönliches Werk vor. Ein großer umfassender Wortschatz, der als stilistisches Kunstmittel genutzt wird, eine Wortwahl, die immer, auch in Kleinigkeiten, mit der Handlung stimmig bleibt, und ein mit viel Sachwissen geschilderter Plot machen die Lektüre zum kurzweiligen Genuss.
Der Roman, der stark autobiographische Züge aufweist, setzt allerdings beim Leser eine gewisse Kenntnis der Vorgänge der Flower-Power-Bewegung in den USA voraus. Wer diese Zeit der Proteste, Sit-ins und des Aufbegehrens, jener optimistischen Aufbruchstimmung, in der alles machbar schien, wie ich, nicht selbst bewusst miterlebt hat, wird seine Schwierigkeiten haben, alle Anspielungen und Seitenhiebe wahrzunehmen.
In der Musik ist die Handlung der Realität verwurzelt, gleichzeitig nehmen hier die phantastischen Ereignisse ihren Anfang. Als Kulminationspunkte wirken die mit viel Insiderkenntnissen geschilderten Konzertgigs der Gruppe. Die spartanisch eingestreuten phantastischer Sequenzen tragen ebenso zur Faszination des Lesers bei, wie die überzeugend menschliche Zeichnung des Protagonisten. Man merkt, mit wieviel Sorgfalt der Autor recherchiert hat: Es stimmt einfach jedes Detail!
Aufgrund des relativ anspruchsvollen, US-spezifischen Inhalts jedoch wird es „Armageddon Rock“ auf dem deutschen Buchmarkt schwer haben, obwohl der Titel eine breite Aufmerksamkeit verdient hätte!
Zu erwähnen sei noch, dass die Übersetzung für die vorliegende Neuausgabe sorgfältig überarbeitet wurde und es auch, für Leser und Fans mit einem etwas größeren Geldbeutel, eine wohlfeile signierte Luxus-Edition beim Verlag zu bestellen gibt.