Michael J. Sullivan: Der Thron von Melengar (Buch)

Michael J. Sullivan
Der Thron von Melengar
Riyria 1
(Theft of Swords / The Crown Conspiracy, 2011)
Aus dem Englischen von Ursula Gräfe
Titelbild von Lauren Panepinto
Karten von Michael J. Sullivan
Hobbit Presse, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 380 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-608-96012-9 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Hadrian und Royce sind unabhängig arbeitende Diebe, die sich in gewissen Kreisen als „Riyria“ einen Namen gemacht haben. Sie sind teuer, können sich ihre Aufträge aussuchen und leisten hervorragende Arbeit, denn gründliche Recherche und die eigene Sicherheit sind ihnen wichtig.

Als Hadrian gegen diese Prinzipien verstößt, indem er kurzfristig auf eine einfach und lukrativ erscheinende Anfrage eingeht, kommt es zum Desaster: Das magische Schwert, das sie stehlen sollen, befindet sich nicht in der königlichen Kapelle – sondern König Amrath, tot! Plötzlich taucht ein Zwerg auf, bezichtigt die Eindringlinge des Mordes, Soldaten sind sogleich zur Stelle, der Rückweg ist versperrt, und so landen sie im Kerker. Kronprinz Alric, der neue Herrscher, will die Diebe foltern und töten lassen.

Unverhofft verhilft Prinzessin Arista den Gefangenen zur Flucht. Sie ist die Einzige, die Hadrians und Royce’ Geschichte glaubt und außerdem befürchtet, dass sich auch ihr Bruder in Lebensgefahr befindet. Im Gegenzug für ihre Freiheit beauftragt sie die Diebe, Alric zu entführen und zu einem geheimen Gefängnis zu geleiten, wo er zu Esrahaddon, dem letzten wahren und uralten Magier, dem der Tod des mythischen Königs und Halbgotts Novron angelastet wird, Kontakt aufnehmen soll.

Auf der Reise lauern ihnen Soldaten auf, der Mönch Myron, einziger Überlebender eines Massakers, schließt sich ihnen an, und der gefährliche Magier bemüht sich, seine Besucher zu überreden, ihn freizulassen. Aber können sie ihm wirklich trauen? Und hegt nicht vielleicht auch Arista Hintergedanken, weil sie insgeheim die Königin von Melengar werden will?

Hadrian und Royce sind der Ansicht, dass dies nicht ihr Kampf ist, doch sie stecken schon viel zu tief drinnen und sind zu ehrbar, um Alric blindlings in die Falle seiner Feinde tappen zu lassen.

Liest man den Klappentext, der nur grob den Beginn der Geschichte zusammenfasst und denn von dem Buch behauptet, dass es „alles zu bieten hat, was Fantasyleser lieben: Abenteuer und Verrat, Schwertkämpfe und Liebe, Mythen und Magie“, geht man als erfahrener Leser mit einer gesunden Skepsis an die Lektüre heran. Schließlich wartet der Roman ausschließlich mit Genre-Archetypen auf, nämlich mit edlen Dieben, intriganten Adligen und Klerikern, käuflichen Söldnern, bösen Zwergen, ausgegrenzten Elben und einem zwielichtigen Magier. Von ihren Abenteuern durfte man schon bei zahlreichen anderen Autoren lesen, und praktisch jeder von ihnen glaubte, mit seinem Buch das Rad neu erfunden zu haben.

Übersteht man das Eingangs-‚Geschwafel‘, mit dem Michael J. Sullivan aufzeigt, dass es sich bei seinem Antihelden-Gespann im Grunde um anständige Männer mit Prinzipien handelt und er der Handlung eine leichte, unterhaltsame Note verleihen möchte, folgt man doch ganz gern der Erzählung. Das liegt teils am angenehm flüssigen Stil des Autors, an den sympathisch-interessanten Charakteren und einem Plot, der keine Längen aufweist und dennoch auf unnötige oder gar übertrieben Kampfhandlungen und ein Zuviel an ‚alles heilende‘ Magie verzichtet. Es gelingt ihm sogar, die beiden Hauptfiguren realistisch zu beschreiben, obwohl sie schon zu gut sind, um wahr zu sein, und ihre Geheimnisse für später zu wahren. Tatsächlich erfährt man nichts über die Hintergründe von Hadrian und Royce, einem Soldaten und einem Dieb, die sich irgendwann zusammengetan haben und sicherlich mehr sind, als es den Anschein hat. Kleine Hinweise laden zum Spekulieren ein.

Ihre ‚Auftraggeber‘, Arista und Alric, entwickeln sich nachvollziehbar weiter. Lange bleibt unklar, ob die Prinzessin wirklich das Wohl ihres Bruders im Sinne hat oder gegen ihn konspiriert, und der Prinz, der als verwöhnt-naives Bürschlein eingeführt wird, wandelt sich nach und nach zu einem jungen Mann, der würdig ist, die Krone zu tragen. Die Gegenspieler entpuppen sich im Rahmen ihrer Machtgelüste sehr schnell als eindimensional böse; hier hätte der Autor durchaus einen Gang herunterschalten können.

Nun, Abenteuer und Verrat sind vorhanden, Schwertkämpfe auch. Für die Liebe hingegen ist nicht viel Platz vorhanden. Mythen werden hin und wieder eingeflochten. Vor allem Myron, der über ein eidetisches Gedächtnis verfügt, erklärt seinen Begleitern und somit auch dem Leser die Welt Elan. Magie ist nur in geringem Maße vorhanden, da das alte Wissen verloren ging und praktisch nur noch von Esrahaddon repräsentiert wird, dessen Rolle klein bleibt, damit er nicht Hadrian und Royce die ganze Arbeit abnimmt. Da weitere Bände geplant sind, darf man davon ausgehen, dass früher oder später die Ziele des Magiers thematisiert und die am Ende des Bandes noch losen Fäden aufgenommen und vertäut werden.

Der Handlungsverlauf ist spannend und in sich schlüssig. Er bietet einige Überraschungen, wobei vor allem gefällt, dass einige Charaktere längere Zeit undurchsichtig bleiben. Die wesentlichen Fragen werden beantwortet, und nur ein paar kleine Details bleiben offen, um als Aufhänger für den nächsten in sich abgeschlossenen Band zu dienen.

Hat man Freude am Genre und gibt dabei den etwas ‚leichteren‘ Lektüren den Vorzug, die nicht so ausufern wie beispielsweise George R. R. Martins „Game of Thrones“ und J. R. R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“, die aber auch nicht so ‚dünn‘ sind viele aktuelle Romantic-Fantasy-Titel, dann sollte man dem „Riyria“-Zyklus eine Chance geben. Am ehesten vergleichbar ist „Der Thron von Melengar“ noch mit Terry Brooks „Schwert von Shannara“, Roger Zelaznys „Prinzen von Amber“ und Fritz Leibers „Fafhrd & Grey Mouser“.