Der Rote Korsar Gesamtausgabe 2: Der Kapitän ohne Namen (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 23. September 2014 21:22
Der Rote Korsar Gesamtausgabe 2
Der Kapitän ohne Namen
(Barbe-Rouge: L’intégrale 2: Le captaine sans mom; Défi au Roy; Le fils de Barbe-Rouge)
Szenario: Jean-Michel Chalier
Zeichnungen: Victor Hubinon
Übersetzung: Hartmut Becker u.a.
Ehapa, 2013, Hardcover, 160 Seiten, 29,99 EUR, ISBN 978-3-7704-3697-2
Von Frank Drehmel
Enthielt der erste Sammelband noch zwei Abenteuer – diese allerdings in Überlänge –, so wartet Band 2 der Gesamtausgabe mit drei Geschichten („Der Sohn des Piraten“, „Flucht aus Algier“ sowie „Die Meuterei der Gefangenen“) auf, die zwischen Juli 1962 und Januar 1963 in „Pilote“ erschienen, wobei die dritte Story aus drucktechnischen Gründen einer Neukolorierung und die verwirrende deutsche Titelgebung einer kurzen Erläuterung bedurfte.
Nachdem der Rote Korsar seinen Ziehsohn Rick nicht nur darüber informiert hat, dass er ein Waisenkind und Sohn eines französischen Adeligen namens Henri de Montfort ist, sondern auch mit den Papieren ausgestattet hat, die man bei den toten Eltern einst fand und die den Geburtsstatus des Jungen belegen, reist Rick in Begleitung Babas und Dreibeins zum Familienschloss seiner Eltern, um seine Erbe einzufordern.
Der aktuelle Herr des Hauses, Henris Cousin Graf D’Argout, sowie dessen Sekretär Lenoir sind über diese Entwicklung alles andere als erfreut, fügen sich jedoch nach anfänglichem Aufbegehren Ricks überzeugenden Argumenten in Form einer Pistole und sichern dem Jungen zu, die Anerkennung der wahren Identität und der Ansprüche durch die Advokaten des Königs prüfen zu lassen. Ihr Hintergedanke beim Einlenken ist, zwischenzeitlich sowohl die Papiere zu vernichten, als auch Rick zu vergiften.
Obwohl der Junge zunächst einen Schutzengel hat, bringen ihn die Intrigen des Grafen und einer befreundeten Comtesse schlussendlich doch in die Bastille, aus der ihn nur der Rote Korsar und seine Mannen befreien können.
Nachdem Rick sich an den Verrätern gerächt hat, reist er unter der portugiesischen Identität, die er zuvor schon angenommen hatte, zurück nach Saint-Malo, um bei den Kaufmannsbrüdern De Kermadieu als Kapitän anzuheuern.
Obgleich er noch jung ist, erhält er das Kommando über ein Schiff, das Gold zu den Kolonien im Indischen Ozean transportieren soll. Kaum dass er an Bord ist, muss sich Rick mit Gewalt Respekt verschaffen, da sich sein Erster Offizier, Olonnais, selbst Hoffnung auf den Kapitänsposten machte. Und in der Tat steht die Seereise unter keinem guten Stern, sondern ganz im Zeichen der Intrigen Olonnais und einiger Verbündeter, die schlussendlich in einer Meuterei enden.
Während eines Kampfes mit maurischen Piraten kann der junge Kapitän fliehen und an eine nahegelegene Küste schwimmen. Damit beginnt eine Odyssee, die ihn zwar zunächst zurück in die französische Gerichtsbarkeit führt, ihn aber schließlich als Galeerensträfling in eine Gegend verschlägt, in der Osmanen und ihre Janitscharen nicht nur Christen verfolgen.
Wie schon die ersten beiden Abenteuer überzeugen auch die vorliegenden drei miteinander verbundenen Geschichten durch ihren hervorragenden, mitreißenden Erzählfluss und einem fesselnden Auf und Ab der Spannung. Die Figuren sind vergleichsweise vielschichtig gezeichnet, sodass Rick nicht als strahlender Heroe inszeniert wird, sondern als jemand, der der Hilfe Verbündeter und Freunde bedarf, um die vielen Gefahren, die das abenteuerliche Leben auf dem Meer und jenseits des Freibeuter-Daseins für ihn bereithält, zu meistern, weil in Bezug auf Menschen der erste Schein trügen kann und sich Verrat hinter harmlosen Masken verbirgt.
Obgleich die Handlung in einer rauen, grausamen Zeit angesiedelt ist und die Protagonisten zum großen Teil eher grobschlächtiger Natur sind, kommt die Geschichte weitgehend ohne explizite Brutalität und Gewalt aus; das bedeutet allerdings nicht, dass Gewalt, Mord und Tod kein Thema sind, sondern dass sie nicht plakativ in den Vordergrund gerückt werden und dass der Künstler gleichsam den Blick abwendet, wenn es ans Töten geht. Im Fokus stehen stattdessen ganz das Abenteuer sowie die Exotik, wobei es Autor und Zeichner nach wie vor auf Authentizität ankommt, sowohl was das Maritime und die Nautik betrifft, als auch das Lokalkolorit.
Fazit: Trotz des aus heutiger Sicht eher betulichen Artworks eine spannende, abenteuerliche Comic-Erzählung, die gerade die älteren Semester an einige Film- und Roman-Klassiker erinnern dürfte.