Brenan, Sarah Rees: Der Zirkel des Dämons 1 (Buch)

Sarah Rees Brennan
Der Zirkel des Dämons 1 (von 3)
(The Demon’s Lexicon, 2008)
Aus dem Amerikanischen von Alexandra Ernst
Titelgestaltung von Hauptmann & Kompanie Werbeagentur München – Zürich, Hanna Hörl
cbt, 2009, Hardcover, 336 Seiten, 17,95 EUR, ISBN 978-3-570-16019-0

Von Irene Salzmann

Seit sie kleine Kinder waren, befanden sich Alan, Nick und ihre Mutter Olivia auf der Flucht vor den Magiern des ›Zirkels des Obsidians‹. Ihr Vater opferte sich, damit die Familie überleben konnte, und übertrug Alan die Verantwortung für seinen jüngeren Bruder und die geistig verwirrte Mutter. Inzwischen sind die Jungen 19 und 16 Jahre alt – und nichts hat sich für sie verändert. Noch immer fliehen sie, sobald die Magier sie aufspüren, und kämpfen, wenn ihnen keine andere Wahl bleibt.

Plötzlich tauchen die Geschwister Mae und Jamie, die die gleiche Schule wie Nick besuchen, auf und bitten die Brüder um Hilfe. Während Alan bereit ist, die beiden anzuhören – er möchte Menschen in Not beistehen, und er hat Mae gern –, reagiert Nick verärgert, da er das Gefühl hat, dass sich die beiden zwischen ihn und seinen Bruder drängen, vor allem da er ihnen die Schuld zuschreibt, dass es einem Dämon gelingen konnte, Alan zu zeichnen. Trotzdem vermag sich dieser durchsetzen und erlaubt den Geschwistern, dass sie ihn und Nick auf den Jahrmarkt der Kobolde begleiten. Nur dort weiß man vielleicht ein Mittel, das Jamie retten kann, denn wer ein Dämonenzeichen des dritten Grades trägt, ist so gut wie tot.
Nick beschließt, für Alan zu tanzen, um einen Dämon zu beschwören, der das Zeichen seines Bruders tilgen soll, doch Alan nimmt stattdessen einen Teil von Jamies Zeichen auf sich, so dass beide eine Chance haben, doch müssen sie im Austausch zwei Magier töten. Mae und Jamie sind Alan dankbar, aber Nick ist wütend. Mehr und mehr wird ihm klar, dass sich sein Bruder nach einem anderen Leben sehnt, dass er Menschen um sich braucht und Bedürfnisse hat, die Nick nicht versteht. Außerdem weiß Alan offensichtlich um Dinge, die er Nick verschweigt.
Die Situation eskaliert, als Nick in einem von Alans Büchern das Foto einer jungen Frau entdeckt und Kontakt zu deren Schwester aufnimmt. Nick erfährt, dass alles, was er bisher über seine Familie wusste, eine Lüge war, und selbst die Schlussfolgerungen daraus sind noch nicht die ganze Wahrheit. Diese Entwicklung treibt einen Keil zwischen die Brüder – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als ihre Dämonenzeichen Alan und Jamie immer mehr schwächen und der ›Zirkel des Obsidians‹ zum entscheidenden Schlag ausholt …

»Der Zirkel des Dämons« ist ein Buch, das schwerfällig startet. Die Handlung spielt in Großbritannien und in der Gegenwart. Ohne dass es die normalen Menschen wissen, weilen Magier unter ihnen, und Dämonen ergreifen Besitz von den Körpern ihrer Opfer. Alan und Nick kennen es nicht anders, denn sie befinden sich schon seit vielen Jahren auf der Flucht vor dem geheimnisvollen ›Zirkel des Obsidians«, der ihren Vater getötet hat und den Talisman ihrer Mutter rauben will, ohne den sie nicht leben kann.
Man muss schon etwas Geduld aufbringen und der Geschichte einige Seiten mehr zugestehen, um sich an das Setting zu gewöhnen und halbwegs zu verstehen, wie diese Welt funktioniert. Die Geschehnisse werden aus Nicks Sicht wiedergegeben, der sich gar nicht zur Identifikation eignet, denn er ist groß, stark, simpel, emotionsarm und daher skrupellos. Im Vergleich ist Alan, auch wenn er wegen einer alten Verletzung schwächlich wirkt, der Sympathischere, denn er ist intelligent, sanftmütig, hilfsbereit, verständnisvoll. Dass er noch sehr viel mehr ist und über eine dunkle Seite verfügt, wird erst später enthüllt, zusammen mit Nicks Geheimnis.
Aber auch Mae und Jamie sind keine normalen Teenager und passen sich erstaunlich schnell den neuen Gegebenheiten an. Um ihren Bruder zu beschützen, ist Mae zu allem bereit, und Jamie wiederum erweist sich als nicht ganz so harmlos, wie es zunächst schien. Außerdem zollt die Autorin den Slash-Fanfics (sie war u. a. im »Harry Potter«-Fandom aktiv) Tribut, denn es wird angedeutet, dass Jamie homosexuell ist.
Tatsächlich hat keiner der Beteiligten nennenswerte Probleme, eine andere Person zu töten. Dieser Punkt wird nicht weiter ausgeführt, da Kampf und Tod für Alan und Nick schon immer ein Teil ihres Lebens waren. Töten oder getötet werden, heißt es auch bald für Mae und Jamie, die in diese gefährliche Welt hinein gezogen werden. Die Teenager halten sich gegen ihre erwachsenen Feinde besser, als man hoffen durfte, oder Zufälle und Launen helfen ihnen weiter.
Ein großer Plan steckt hinter all dem – die Einzelheiten werden erst auf den letzten Seiten enthüllt. Obwohl alles schlüssig ist, die Motive zu den Charakteren passen, man durch die Andeutungen auch neugierig genug gemacht wird, dass man bis zum Schluss dem Roman folgen möchte, so bemängelt man doch einige Schwachpunkte:

Nach dem verhaltenen Beginn plätschert die Handlung vor sich hin und weist allenfalls kleine Höhepunkte (wie man es aus mehrteiligen Fanfics kennt) auf, die langsam auf das Finale hin arbeiten.
Die Protagonisten wahren Distanz und sind letztlich zu ›super‹, um nachvollziehbar zu sein. Vor allem Nick weiß immer, was zu tun ist – auch wenn Alan als Planer im Hintergrund die Fäden fest in den Händen hält –, er reflektiert viel und erinnert sich regelmäßig an vergangene Ereignisse, die die gegenwärtige Situation erklären. Wie ein Puzzle muss man die Einzelheiten zusammensetzen, bis das Gesamtbild zu erkennen ist, was eine Weile dauert, da viele nebensächlich wirkende Details und Dialoge eingeschoben werden.
Die ›Bösen‹ halten sich bedeckt bis zum Ende, sind einfach nur böse und wollen, wie so oft, die Welt mittels der Dämonen beherrschen.
Zwar gibt es romantische Momente, aber die möglichen Beziehungen stagnieren (zwei Bände folgen noch). Weder entscheidet sich Mae für einen der Brüder, noch steht Jamie zu seiner Neigung und bietet mehr als einen Hauch Yaoi-Support.
Vor allem jedoch wird das Töten als eine Notwendigkeit, fast schon eine Selbstverständlichkeit betrachtet, und Alans diesbezügliche Zurückhaltung ist lediglich Makulatur. Man muss sich schon sehr wundern, dass die Behörden und Außenstehenden nichts von diesen Vorgängen merken.

Das alles erschwert es, sich diese Welt plastisch vorzustellen und mit den Figuren warm zu werden. Am Ende werden die Weichen für die Fortsetzung gestellt, denn die jungen Helden tragen noch so manches Geheimnis mit sich, und nicht alle Feinde wurden besiegt. Das Buch ist relativ in sich abgeschlossen, gut lesbar, wartet mit entwicklungsfähigen Charakteren auf und kann den Genre-Fan durchaus fesseln, aber es ist kein Pageturner. Jungen Lesern könnte gerade der Beginn etwas zu langatmig und verworren erscheinen, während das reifere Publikum über die kleinen Schwachstellen stolpert.
Es empfiehlt sich, die Seiten der Autorin zu besuchen, um dort einige weitere Informationen einzuholen und gegebenenfalls etwas in dem Buch zu blättern, um leichter entscheiden zu können, ob der Titel den Nerv zu treffen vermag.