Wayne of Gotham – Ein Batman-Roman, Tracy Hickman (Buch)

Tracy Hickman
Wayne of Gotham – Ein Batman-Roman
(Wayne of Gotham, 2012)
Aus dem Amerikanischen von Timothy Stahl
Panini, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 316 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-8332-2874-2 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Bruce Wayne und alle Einwohner Gothams erhalten eine Einladung zu einem Event, dessen Ort jedoch nicht genannt wird. Zeitgleich manipuliert jemand teils anständige Bürger wie Commissioner Gordon, teils psychopathische Schurken wie den Joker, die Batman beziehungsweise seinem Alter Ego kryptische Botschaften zukommen lassen. Einer attraktiven Frau, die sich Amanda Richter nennt, gelingt es, in den gesicherten Garten von Bruce‘ verstorbener Mutter Martha einzudringen, ohne dass Alarm gegeben wird.

Geheimnisvolle Dokumente tauchen auf, in denen angedeutet wird, dass Bruce‘ gleichfalls ermordeter Vater Thomas in dunkle Machenschaften verstrickt war, die von Butler Jarvis Pennyworth gedeckt wurden, bis dieser das schwere Erbe seinem Sohn Alfred übertrug.

Dass Alfred schweigt, obwohl Bruce die Wahrheit von ihm fordert, treibt einen Keil zwischen die Männer mit der Folge, dass Alfred entlassen wird. Auf sich allein gestellt versucht Bruce – nicht Batman! –, das Rätsel aus der Vergangenheit zu lösen und gerät in tödliche Gefahr.

Für gewöhnlich lassen es sich Comic-Autoren nicht nehmen, einen Roman über einen Helden zu schreiben, dessen Serie sie geholfen haben mitzugestalten. Diesmal versucht sich an „Batman“ Tracy Hickman, den man bislang als Autor diverser Bücher zu populären Brett- und PC-Games kennt (allen voran die „Dragonlance“-Reihe, die in den Augen vieler Rollenspieler Kult ist, von ‚normalen‘ Fantasy-Fans oft jedoch als Alternative zur Schlaftablette erachtet wird). „Wayne of Gotham“ ist sein erster Roman über eine Comic-Figur, doch da es auch diverse „Batman“-Games gibt, ist sich Tracy Hickman letztendlich treu geblieben – und hat sich gegenüber zum Beispiel „Dragonlance“ deutlich gesteigert.

Die Handlung des Buchs spielt auf zwei Ebenen: im Gotham der Gegenwart (2014) und dem der 50er Jahre (1953-1958). Akteure sind zum einen Bruce Wayne/Batman und Alfred Pennyworth sowie mehr oder minder bekannte Nebenfiguren beziehungsweise Thomas Wayne, Martha Kane, Jarvis Pennyworth und jene Personen, die damals zu ihrem Umfeld zählten. Es tauchen in der Gegenwartshandlung einige namhafte Schurken in kleinen Szenen auf, doch Batmans Freunde und Verbündete werden nicht einmal erwähnt (Robin, Nightwing, Catwoman, Huntress, Azrael und so weiter).

Zunächst verlaufen die beiden Handlungsstränge getrennt voneinander, aber dem Leser ist natürlich klar, dass die Geschehnisse in der Vergangenheit Konsequenzen in der Gegenwart nach sich ziehen. Das Bild von Bruce‘ Eltern, das bei vielen noch auf dem 40er-Jahre-Szenario beruht, wurde modernisiert, ja, auf den Kopf gestellt. Hier werden Thomas und Martha nicht als konservatives Paar geschildert. Thomas versuchte, der Fuchtel seines machtbewussten Vaters zu entkommen, indem er Arzt statt Unternehmer wurde, und doch trat er das Erbe an und nutzte die ihm gegebenen finanziellen Möglichkeiten zur Realisierung eines Traumes, der zu einem Albtraum wurde. Martha bemühte sich gleichfalls auszubrechen, indem sie als Party Girl von sich reden machte und sich mit den falschen Männern einließ. Tatsächlich ist sie mit einer Bitte der Auslöser jener Katastrophe, die Thomas Gewissensbisse verursachte und den Sohn der beiden Jahre später einholte.

Bruce wiederum ist ein Mann von 51 Jahren, der seinen Zenit bereits überschritten hat und mittels eines High-Tech-Anzugs und diverser Gadgets seine schwindenden Kräfte ausgleicht. Nach wie vor betrachtet er die Verbrechensbekämpfung als seinen ‚heiligen Kreuzzug‘, und er ist ein Einzelgänger. Als der Stein ins Rollen kommt, weiß er sofort, dass man ihm eine Falle gestellt hat und die Vergangenheit seiner Familie nicht dem entspricht, was er immer glaubte, auch aufgrund der heimlichen Arbeit von Jarvis und Alfred. Da er die Wahrheit herausfinden und Unbeteiligte retten will, lässt sich Bruce auf das perfide Spiel ein, das von einem Unbekannten geschickt inszeniert wird.

Dieser will nicht Batman – er weiß nicht einmal, dass Bruce und Batman ein und dieselbe Person ist –, sondern den bekannten Wayne-Sprössling, der infolgedessen auch die meiste Recherche betreibt und sich in heikle Situationen begibt, die für ihn ohne Anzug bedrohlich sind. Darum der Titel „Wayne of Gotham“, denn Batman steht hier nicht im Mittelpunkt, auch wenn er für relativ wenig (!) Action sorgt. Interessanterweise reflektiert Bruce kaum. Die Vergangenheitssequenzen und seine Nachforschungen sprechen für sich und ersetzen langwierige Überlegungen, die seinem Vater erlaubt sind. Das fällt nicht weiter auf, weil die Rückblenden gut greifen. Das Ende überrascht auf mannigfaltige Weise, auch wenn ein Aspekt davon vorhersehbar war und dem Autor die Option auf eine Fortsetzung offen hält.

Alles in allem ist „Wayne of Gotham“ ein spannender „Batman“-Roman, der die Weiterentwicklung von Tracy Hickman vor Augen führt und den Fans des „Dunklen Ritters“, die nicht ausschließlich auf Comics fixiert sind, ein kurzweiliges Lesevergnügen bietet, in dem nicht die Fledermaus, sondern der Mann Bruce Wayne im Fokus steht.