Erik Schreiber (Hrsg.): Roboterliebe (Buch)

Erik Schreiber (Hrsg.)
Roboterliebe
Titelillustration von Crossvalley Smith
Saphir im Stahl, 2013, Taschenbuch, 392 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-943948-18-9

Von Carsten Kuhr

Ich werde nicht müde, Verlagsinhaber, die das verlegerische Risiko eingehen Anthologien zu publizieren, zu loben. In Zeiten, da selbst Großverlage keine Kollektionen geschweige denn Sammelbände mit SF-Kurzgeschichten deutschsprachiger Autoren mehr auflegen, ist es umso wichtiger, wenn ambitionierte Kleinverlage in die Bresche springen. Nicht nur, dass jungen, talentierten Autoren hier eine Bühne gegeben wird, auf der sie erste Schritte unternehmen, Erfahrungen sammeln und Fans ansprechen können, auch die Story an sich, weiß den Leser zu entzücken. Gerade der kurze, pointierte, sich aufs Wesentliche konzentrierende Text mit der zumeist überraschenden Auflösung zum Schluss bietet sich doch bestens für die Lektüre zwischendurch, bei der S-Bahnfahrt, im Wartezimmer oder auch am Abend an.

Mit vorliegendem Band bietet Erik Schreiber seinen Autoren erneut eine entsprechende Publikationsmöglichkeit. Ich weiß nicht, ob sich dies für ihn als Verleger rechnet, oder ob er seinen Autoren außer den Belegexemplaren ein Honorar bezahlt, vom Unding der Druckkostenzuschüsse hat er sich jedenfalls energisch distanziert.

Einmal abgesehen von der etwas gewöhnungsbedürftigen Typographie des Titels auf dem Cover hat er unter der Überschrift „Roboterliebe“ 23 Geschichten aufgenommen, die sich stilistisch ansprechend präsentieren und die inhaltlich, anders als man der Überschrift entnehmen könnte, ein weites Feld abdecken. Der Titel impliziert eigentlich Gefühlsbeziehungen zwischen Lebewesen und Robotern, allein nur ein paar wenige Beiträge befassen sich mit entsprechenden Emotionen zwischen Metall und Fleisch.

Gleich die ersten beiden Beiträge aus der Feder Dirk Alts („Interspeziäre Bindungen“: Ein Schmuggler muss, als sein Raumschiff beschädigt wird, zum Überleben eine schwierige Entscheidung treffen) und Marco Ansing („Die Holo-Schatzkarte“: Zwei Mädchen, eine menschlich eine einer Fremdspezies angehörig, gehen auf einer Raumstation auf Schatzsuche) setzen andere Schwerpunkte. Bei beiden stehen Beziehungen zwischen Lebewesen im Mittelpunkt, Kunstwesen kommen nicht vor.

Dann aber geht es hinein in die metallenen Liebeserklärungen. Robert Beringar („Bis dass der Tod euch scheidet“) berichtet uns sehr einfühlsam und intensiv von einem Roboter, der, als er die Erinnerungen von Menschen und deren Wesenszüge übernimmt, die Liebe und das Leid kennenlernt, Kirsten Brox („Zeitenwende“) baut eine Beziehung zwischen einem Blechmann und einem Hund auf. In beiden Beiträgen verstehen es die Autoren, ihre Leser innerlich zu berühren, und feinfühlig deren Emotionen zu schildern.

Nina Dörmann („Eine außerirdische Liebe“) stellt uns die Liebe zwischen einem Menschenmädchen und einem Alien vor, während Michael Edelbrock („Bis die Sterne verblassen“) von der Suche eines Roboters nach dem Geschenk ewiger Liebe berichtet. Gregor Eder („Malux ex machina“) berichtet uns von einem Dämon des Krieges, der in einer Kirche Schutz sucht. Dennis Frey („Der Tanz“) führt uns mit einem menschlichen Botschafter auf einen urwüchsigen Planeten, bei dem der nur vom Exo-Skelett gestützte Mensch erkennt, was die Abkehr von der Natur die Menschheit gekostet hat.

Erhart Rico Gehrke („Am Set“) stellt uns eine zukünftige Welt vor, in der die KI alles übernommen haben, die Menschen zu reinen Statisten, Schauspielern verkommen sind. Andreas Giewald („Das Experiment“) beantwortet die Frage, wie das Universum entstand und die um die Gestalt Gottes auf ganz eigene Weise – und ohne einen Roboter. Judith Holle („Das Haus der Ewigkeit“) berichtet von einer Zukunft, wie sie trauriger, kälter und perfekter nicht sein kann. In Johannes Hülstrungs Geschichte („Nicht ganz so grün“) begegnen wir dem Nachkommen eines Auswanderers von der Erde – der ein wenig Heimweh hat. Bettina Ickelsheimer-Förster („Wir leben!“) stellt uns intelligente Chips vor, in die das Bewusstsein von Menschen kopiert wurden – bis man diese nicht mehr brauchen kann.

P. E. Jörns („Bed of Roses“) berichtet von der letzten Chance der Menschheit. 500 Menschen begeben sich an Bord eines Raumschiffs, um im Kälteschlaf die Zeit bis zur Erreichung der neuen Welt zu verbringen; ein Pilot und die KI wachen über sie. Doch was, wenn der Pilot den Druck nicht aushält und was, wenn die KI sich verliebt? Thomas Jordan („Ereignisse auf Cygnus 82“) entführt uns auf Cygnus 82, einem Planeten, auf dem eine Forschungsraumerbesatzung verschollen ist. Was hat die Wissenschaftler dazu gebracht das Essen, das Trinken, ja das Atmen einfach aufzugeben?

Karl-Otto Kaminski („Was ist jetzt?“) stellt uns einen Raumfahrer, einen Pionier des Alls vor, der nachdem er einige Jahre bei fast Lichtgeschwindigkeit im Weltraum verbracht hat auf die Erde zurückkehrt – die Frage ist nicht das wie, die Frage hier ist das wann… Valentina Kramer („Zisch“) berichtet uns von einem Blecheimer, wie die Roboter respektlos genannt werden, der eine metallene Eroberung macht. In Stephan Obermayr („Ein Rest von Liebe“) ist ein Roboter gar nur menschlich, lässt sich von seinen Gefühlen leiten, da ihm die Wesenszüge eines Menschen eingegeben wurden – doch was ist mit dem Menschen passiert? Daniel Pollhammer („Im Angesicht von Phobos und Deimos“) erzählt uns von einer Mars-Expedition, die die Astronauten auf den Spuren einer untergegangenen Zivilisation tief hinein in das Stollenlabyrinth des Roten Planeten führt. Alessandra Reß („Schutzengel“) berichtet uns vom schweren Los der metallenen Schutzengel, die abgeschaltet werden sollen. Doch einer der Menschen hat Mitleid mit seinem Schutzengel…

In Claudia Romes Erzählung „Die Inueweega“ begleiten wir eine Expedition zum Zentrum unserer Galaxie – und darüber hinaus. Durch das Schwarze Loch hindurch gelangen sie zum Ursprungsplaneten allen Lebens.. Auf der Suche nach einem auf einem urwüchsigen Planeten verschwundenen Mann trifft in Wolfgang Schroeders Geschichte („Der verflixte Wandschrank“) der Agent die Liebe seines Lebens. Auch wenn er seine Mission nicht wird erfüllen können, ist die Cara die Erfüllung all seiner Träume, bis… In Arndt Waßmanns Erzählung („Ein Herz aus Stahl“) havariert ein Beiboot auf einer dschungelähnlichen Welt. An Bord: ein junger entbehrlicher Soldat und eine Androidin, deren neue Programmierung getestet werden soll…

Wie man sieht haben sich Verlag, Herausgeber und die Autoren redlich und erfolgreich bemüht, einen abwechslungsreichen Strauß von SF-Sahnestücken zusammenzustellen, der für jeden Geschmack etwas in Petto hat, und der abwechslungsreich und immer überraschend und packend unterhält und dabei so manches Mal den Leser auch rührt.