H. Boehncke und P. A.Schmidt: Marie Hassenpflug – Eine Märchenerzählerin der Brüder Grimm (Buch)

Heiner Boehncke und Phoebe Alexa Schmidt
Marie Hassenpflug – Eine Märchenerzählerin der Brüder Grimm
Verlag Philipp von Zabern, 2013, Hardcover, 152 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-8053-4536-1

Von Irene Salzmann

Dass sich die Brüder Jacob (1785-1863) und Wilhelm (1786-1859) Grimm ihre „Kinder- und Hausmärchen“ (Band 1: 1812) nicht selbst ausdachten, sondern sie sich haben erzählen lassen und aufschrieben (zunächst für Achim von Arnims und Clemens Brentanos Märchensammlung „Des Knaben Wunderhorn“ 2), ist inzwischen hinreichend bekannt. Weniger weiß man jedoch über die Menschen, von denen die Brüder Grimm die volkstümlichen, bislang mündlich überlieferten Märchen erhielten und welche Geschichte diese Erzählungen, wie man sie heute kennt, ihrerseits hinter sich haben.

In der Brüder-Grimm-Stadt Hanau entdeckte man zufällig das Haus Lossow, in dem im 18. Jahrhundert die Familie Hassenpflug wohnte. Man vermutet, dass sie und die Grimms damals schon miteinander bekannt waren und diese Bekanntschaft einige Jahre später nach einem Umzug nach Kassel (Grimm: 1798, Hassenpflug: 1799) erneuerten (Charlotte Grimm heiratete 1822 Ludwig Hassenpflug). Die Hassenpflug-Töchter gehören zu den wichtigsten Märchenerzählern der Grimms. Die unverheirateten Frauen trafen sich mit anderen aus diesem Kreis auf Teegesellschaften und erzählten oder korrespondierten und schrieben die Märchen für die Grimms auf. Dieser literarische Austausch endete mit den Heiraten und den neuen Pflichten der jungen Ehefrauen.

Den Hassenpflug-Töchtern werden insgesamt 39 Märchen zugeschrieben: Amalie (1800-1873) 3, Johanna (1791-1860) 9, Marie (1788-1856) 13, sowie 14 weitere, die nicht eindeutig zuzuordnen sind. Einige der bekanntesten Märchen stammen von diesen drei Frauen, darunter „Der Herr Gevatter“ (Amalie), „Tischchen deck dich“, „Der gestiefelte Kater“ (Johanna), „Brüderchen und Schwesterchen“, „Dornröschen“, „Schneewittchen“ (Marie). Entsprechende Notizen im Handexemplar der ersten Ausgabe der „Kinder- und Hausmärchen“ gaben Forschern Aufschluss über Erzähler/Herkunft und Datum.

Da die Vorfahren der Familie Hassenpflug im 17. Jahrhundert wegen der Hugenotten-Verfolgung nach Hanau auswanderten, haben viele der Märchen französische Wurzeln und gehen auf Charles Perrault, einen französischen Märchensammler („Contes de Fées“), zurück. Aufgrund der antifranzösischen Stimmung in Deutschland (Napoleonische Kriegszüge) wurden die Märchen von französischen Elementen ‚gesäubert‘, mit ähnlichen einheimischen Varianten verknüpft, durch diese ersetzt oder in einer späteren Fassung der „Kinder- und Hausmärchen“ gänzlich gestrichen („Blaubart“).

Die spannende, wechselvolle Geschichte der französisch-deutschen Familie Hassenpflug und ihre Beziehung zu den Grimms – insbesondere das Leben von „Marie Hassenpflug“ – schildert das vorliegende Sachbuch. Obwohl es sich um ein Stück (Literatur-) Geschichte handelt, liest sich der Band kurzweilig, was auch den eingestreuten Märchen und den zahlreichen Abbildungen zu verdanken ist.

Möchte man mehr über die Grimms und die Hassenpflugs sowie die Hintergründe der „Kinder- und Hausmärchen“ erfahren, stellt „Marie Hassenpflug – Eine Märchenerzählerin der Brüder Grimm“ eine sehr empfehlenswerte Informationsquelle dar. Auch die Gestaltung des Buchs ist sehr gefällig: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, hochwertiges Papier im Innenteil, zahlreiche Abbildungen in Farbe und Schwarzweiß. Eine großartige Ergänzung der privaten Sammlung von Märchenbüchern!