Gerd Schneider: Der letzte Code (Buch)

Gerd Schneider
Der letzte Code
Titelbildgestaltung von Frauke Schneider
Arena, 2013, Paperback mit Klappenbroschur, 318 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-401-06801-5 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

Wie vermittelt man in einer Zeit, in der virtuelle Welten und das Internet für viele Jugendliche wichtiger geworden sind als das echte Leben, nachdenkenswerte Inhalte über die Geschichte der Menschen oder Gedanken über die Werte, die uns erst zu dem machen, was wir sind?
Gerd Schneider wurde 1942 geboren und arbeitete lange Jahre als Journalist, veröffentlichte seit 1980 viele Romane, Kurzgeschichten, Artikel, Sach- und Drehbücher. Der heute bei Bonn lebende Autor scheint in „Der letzte Code“ eine Lösung für dieses Problem gefunden zu haben.

Tamas ist ein typischer Schüler. Er lebt viel lieber in seinen Spielwelten und dem Internet, als dass er sich mit der grauen Wirklichkeit beschäftigt, verkriecht sich bewusst in sein Kellerzimmer und möchte nichts von den Dingen hören, die seinen Eltern in der letzten Zeit wichtig geworden sind. Denn immerhin steht nun bald das Ende der Schule vor der Tür und er muss seinen Weg im Leben finden. Als er sich besonders langweilt, bekommt er im Chat ein verlockendes Angebot von einem neuen User namens Pandora. Dieser gibt ihm einen Code, mit dem er in ein gänzlich neues Spiel eintauchen kann.

Neugierig sagt Tamas zu und findet sich plötzlich mitten in einer anderen Zeit und Umgebung zu. Unter Neandertalern wird er mit dem harten Leben vor mehr als vierzigtausend Jahren konfrontiert. Nachdem er den ersten Schock über die Tatsache überwunden hat, dass er spürbar real in das Spiel eintauchen kann, kann Tamas nicht mehr davon lassen und bittet Pandora, weiterzumachen. So beginnt eine Reise durch die unterschiedlichsten Zeiten und Kulturen – in denen er mit Leid und Elend, aber auch der Leidenschaft und Liebe der Menschen konfrontiert wird. Dabei lernt er auch ein Mädchen kennen, das wie er nicht aus der gespielten Zeit stammt und hat von nun an eine Triebfeder, die ihn durch die Vergangenheit des Menschen und das Wesen der Gesellschaft leitet.

Geschichte und Philosophie in Form eines Computerspiels zu vermitteln, das gelingt vermutlich bisher nur in Romanen, nicht aber in der Realität. Denn in einem Buch kann man die Figuren so gestalten wie man will – nicht aber im wirklichen Leben. Das merkt man auch dem Roman von Gerd Schneider an. Er bemüht sich zwar, Tamas so glaubwürdig wie möglich zu schildern, kann aber doch nicht so ganz aus seinem Lebensalter heraus. Es mag auch daran liegen, dass der Junge nur die Identifikationsfigur ist, die es den jungen Lesern ermöglichen soll, in die Handlung einzutauchen, denn letztendlich bleibt er eine sehr blasse Gestalt ohne Profil, ganz anders als die Avatare, in die er im Verlauf der Handlung schlüpft. Auch das Mädchen, das zu seinem Schicksal wird, ist keine reale Person, eher eine Idee. Der Roman wirkt letztendlich wie eine Dokumentation mit Spielszenen. Immer wieder sind historische Informationen über Land, Leute und Kultur in den eigentlichen Text eingebunden, die das Szenario erläutern oder vertiefen sollen.

Die Handlung selbst bleibt doch eher ruhig und plätschert so dahin. Es gibt zwar ein paar actionreichere Szenen, aber die dienen nur der Auflockerung. Ein roter Faden ist zunächst nicht zu erkennen, kristallisiert sich aber mit der Zeit heraus. Dennoch gibt es keinen direkten Höhepunkt, eine Auflösung, die den Sinn des Ganzen erklärt, die muss man selbst zwischen den Zeilen herauslesen.

Alles in allem besitzt „Der letzte Code“ zwar eine nette Grundidee und kann in den einzelnen Szenen überzeugen, liest sich aber stellenweise doch sehr sperrig und lässt viele Elemente vermissen, die junge Leser heute vorziehen: vordergründige Action, klare Aussagen oder gar eine gefühlvolle Romanze. Es ist eher ein Buch zum Nachdenken, das spielerisch Wissen vermittelt und auf die Vergangenheit der Menschen aufmerksam macht – aber man muss schon ein Faible für diese Art von Romanen haben, um wirklich damit glücklich zu sein.