Alison Croggon: Land des Todes (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 27. April 2013 10:51

Alison Croggon
Land des Todes
(Black Spring)
Aus dem australischen Englisch übersetzt von Michael Krug
Titelillustration von Kim Hoang
Bastei Lübbe, 2012, Paperback, 288 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-404-20708-4 (auch als eBook erhältlich)
Von Irene Salzmann
Um es vorwegzunehmen: Der Klappentext wird dem Buch in keiner Weise gerecht. Liest man die wenigen Zeilen, glaubt man, einen ‚richtigen‘, mittelalterlich anmutenden Fantasy-Roman in Händen zu halten, der nur so vor Magie strotzt und blutige Kämpfe zwischen den Vertretern verfeindeter Clans oder Stände schildert. Doch nach einem Blick in den Roman sieht man sich eines Besseren belehrt: Das Szenario hat England/Schottland um die Mitte des 19. Jahrhunderts zum Vorbild. Es gibt eine Rahmenhandlung, die um die eigentliche Erzählung gelegt ist, in welcher zwei der Beteiligten zu Wort kommen.
Was dem Pächter (aus der Rahmenhandlung) erzählt und aus einem Tagebuch zitiert wird, erinnert nicht nur von der Form, sondern auch vom Inhalt her an „Sturmhöhe“ („Wuthering Heights“) von Emily Brontë. Man könnte durchaus von einer sehr getreuen Nacherzählung mit einem leichten Hauch Fantasy sprechen, denn die Personenkonstellation, die Konflikte zwischen den Hauptfiguren, ihre extremen Charaktere und tragischen Schicksale sind dieselben, wenn auch im Falle von „Land des Todes“ auf einen kleineren Kreis reduziert.
Während die Menschen im Süden des Landes lebensfroh sind, in die Kirche gehen und die Zauberer und Hexen respektieren, sind die Bewohner des nördlichen Plateaus wortkarge Bürger, die zwar an Gott glauben, sich jedoch ängstlich den Gesetzen des Königs und der Zauberer beugen. Frauen zählen wenig, und Hexen werden getötet. Außerdem zwingt die Vendetta jeden Bürger im Falle eines Mordes zur Vergeltung und zur Abgabe eines Blutgeldes an den König, was zur Folge hat, dass dieser immer reicher wird, während ganze Dörfer ausgelöscht werden.
Weil Lord Kadar wider alle Regeln eine Frau aus einer Zauberer-Familie geheiratet hat, die außerdem eine Tochter zur Welt brachte, welche die Zeichen einer Hexe aufweist, zieht er mit seinem Haushalt in den Süden, um das Kind zu beschützen. Dort verlebt die kleine Lina zusammen mit ihrer Milchschwester Anna ihre glücklichsten Jahre.
Als es scheint, dass sich Lord Kadar mit dem König und den Zauberern aussöhnen konnte, kehren alle in ihre Heimat zurück. Welcher hohe Preis dafür entrichtet werden musste, kommt erst später ans Tageslicht. Auch der Junge Damek ist ein Teil des Plans, mit dem der König zeigen will, was jenen passiert, die sich nicht an die Gesetze halten. Lina hasst ihren Ziehbruder vom ersten Moment an – doch genauso inniglich liebt sie ihn plötzlich als guten Freund, mit dem sie mehr Spaß beim Spielen hat als mit der besonnenen Anna.
Dann verunglückt Lord Kadar, und der König setzt einen seiner Getreuen als Erben ein, so dass Lina alles verliert. Maskos, der neue Herr, demütigt und misshandelt das Mädchen auf grausamste Weise. Damek, der sie rächen will, muss nach dem missglückten Angriff fliehen. Da niemand mehr etwas von ihm hört, hält jeder ihn für tot. Obendrein wird Anna an den Königshof geschickt, und so ist Lina ganz allein und Maskos ausgeliefert, bis sie den jungen Tibor heiratet.
Die Beiden könnten glücklich sein, denn Tibor ist ein sanftmütiger, verständnisvoller Gemahl. Schon bald erwartet Lina ein Kind. Anna darf zurückkehren und ihrer Freundin und Herrin beistehen. Aber noch jemand taucht auf: Damek. Und das Unglück nimmt seinen Lauf…
Natürlich passiert noch sehr viel mehr, doch würden die Details, die zum Beispiel die Machenschaften der Zauberer und die blutige Vendetta betreffen, den Umfang der Rezension sprengen. Sie sind auch nicht wirklich relevant für die Geschehnisse, da sich die Protagonisten durch ihre Taten selbst in die entsprechenden Situationen bringen. Die Gesetze, die sie ignorieren, und das Leid ihrer Mitmenschen schaffen nur zusätzliche Probleme, die als Katalysator wirken.
Letztendlich ist man von der Rolle der Zauberer und der seltenen Anwendung der Magie ziemlich enttäuscht, zumal auch nichts Näheres über die Art ihrer Macht oder über die an Zombies erinnernden Außenseiter, die erwähnt werden, verraten wird. Das erweckt den Eindruck, als habe die Autorin selbst nicht so recht gewusst, welche Richtung sie einschlagen sollte – eine Analogie zum keltischen Druidentum oder dem westafrikanischen/karibischen Voodoo –, um dem Roman Fantasy-Elemente aufzuzwingen, damit er sich nicht durch und durch wie eine „Sturmhöhe“-Kopie oder -Hommage liest. Hinzu kommt noch das Motiv der Vendetta (die Blutrache ist in verschiedenen Regionen verbreitet: Sizilien, Korsika, Balkan etc.), von der die Protagonisten bloß am Rande betroffen sind und die auf ihr Schicksal ebenfalls keine direkten Auswirkungen hat. Damit wurde noch mehr, eigentlich schon zu viel in den Roman hineingepackt, das für die Handlung nicht relevant ist.
Fantasy, Action, Spannung kochen auf Sparflamme. Der Fokus richtet sich tatsächlich auf die die Entwicklung der Hauptfiguren, für die deren Umfeld genauso verantwortlich ist wie die ungestümen, selbstzerstörerischen Charaktere, die Lina und Damek gemein haben. Die desaströse Dreiecksbeziehung von Tibor – Lina – Damek (Edgar – Cathy – Heathcliff) nimmt den bekannten Verlauf, wahrlich bis ins letzte Detail.
Schätzt man Gesellschaftsromane wie „Sturmhöhe“, wird man von der atmosphärischen Nacherzählung im Fantasy-Gewand sicher begeistert sein, denn die Autorin vermag ihr Publikum durch ihren Erzählstil und die Dramatik zu fesseln. Kennt man jedoch das Original, findet man, dass Alison Croggan wenig eigenes Ideengut hat einfließen lassen, wobei die Zauberer und die Blutrache nebensächlich, überflüssig und erzwungen wirken – womit man wieder zum Klappentext kommt, der offenbar die „Sturmhöhe“-Nacherzählung zu bemänteln versucht.