X-Men: X-Campus (Comic)

Francesco Artibani, Michele Medda
X-Men
X-Campus
(X-Campus 1 a & b – 4 a & b, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Petz
Titelillustration von Todd Nauck & Javier Tartaglia
Zeichnungen von Denis Medri, Roberto Di Salvo, Alessandro Vitti, Gianluca Gugliotta, Marco Failla u. a.
Panini, 2011, Paperback, 196 Seiten, 19,95 EUR

Von Irene Salzmann

Schon mehrere Male wurde die Entstehungsgeschichte eines Comic-Helden oder eines Teams neu und unter aktuellen Gesichtspunkten erzählt. Entweder folgte man dabei dem ursprünglichen Plot und konzentrierte sich darauf, diesen in zeitgenössischen Bildern umzusetzen, oder man beleuchtete das Geschehnis aus einer anderen Perspektive, fügte Details hinzu, die manche noch offene Frage beantworteten und Zusammenhänge verdeutlichten.

Es gab aber auch tiefer greifende Neuerzählungen wie die „Ultimate“-Serien, in denen viel experimentiert und Entwicklungen ermöglicht wurden, die sich viele Fans wünschten und die bisher allenfalls als „What if …“-Storys eine Chance hatten, da sie von den Vorgaben des regulären Marvel-Universums zu sehr abwichen.

„X-Campus“ ist ebenfalls eine solche Geschichte, die mit bekannten Figuren aus den „X“-Serien aufwartet, doch wurde aus den Protagonisten eine Gruppe Schüler von ca. 15 Jahre, die allesamt einen etwas anderen Background aufweisen und nach der heutigen Mode gestylt wurden. Ihre Probleme konzentrieren sich auf die Akzeptanz der gerade erwachten Fähigkeiten, auf familiäre und schulische Konflikte, die erste Liebe – und natürlich auch auf die Auseinandersetzung mit Feinden.

Die Story liegt komplett vor und ist in sich abgeschlossen. Man kann sie problemlos lesen, auch wenn man bisher nichts vom Marvel-Universum und den X-Men gehört hat. Geschaffen wurde die achtteilige Saga 2006 von italienischen Künstlern und gelangte 2010 in die USA, von dort aus 2011 nach Deutschland. Die Macher versuchen gezielt, junge Leser anzusprechen, denen der Stil der animierten Superhelden-Reihen gefällt. Von daher sind die Zeichnungen relativ einfach und comic-/mangahaft gehalten und weniger aufwändig koloriert als viele andere Titel.

Eine Schule für begabte Jugendliche dient Professor Xavier und seinem Rivalen Magneto dazu, Mutanten auszubilden und sie für ihre unterschiedlichen Ziele zu gewinnen. So mischen sich insgeheim unter ‚normale‘ Schüler auch solche, die besondere Fähigkeiten haben, mit denen sie umzugehen lernen müssen. Zu ihnen gehören Anna Raven, Scott Summers, Ororo Munroe und Logan. Nicht alle von ihnen sind gewillt, ihre Kräfte zu akzeptieren und leugnen sie, während andere sie zum persönlichen Nutzen anwenden. Letztere sind prompt zugänglich für die Ideen Magnetos, der die Weltherrschaft der Mutanten anstrebt. Professor Xavier hingegen möchte, dass seine Schützlinge ihre Gaben zum Wohle aller einsetzen. Es dauert nicht lange, bis beide Parteien in Konflikt miteinander geraten, wobei das unüberlegte Handeln einiger Jugendlicher die Situation zusätzlich kompliziert. Aber es kommt noch schlimmer, denn die Mutanten haben einen Feind, der sich unerkannt unter sie gemischt und ihre Eliminierung eingeleitet hat, wofür er die ‚normalen‘ Schüler missbraucht…

Man kennt die Geschichte, teils aus den Comics, teils aus den Filmen – und wieder nicht, da doch so manches Detail anders ist. Beispielsweise ist Logan ein Teenie-Raufbold, Anna Raven freundet sich ausgerechnet mit Emma Frost und Sebastian Shaw an und entwickelt Gefühle für Donald Pierce, während Warren Worthington wiederum ein Auge auf Anna geworfen hat. Jean Grey arbeitet als Lehrerin an der Schule, weiß dann jedoch durch ihr Geheimnis zu überraschen. Ausgerechnet der Blob und Toad sind weitere Angestellte des Instituts … Und das sind nur einige Beispiele für die leichten Modifikationen.

Auch die Feinde sind nicht unbekannt, doch verzichtete man darauf, zu viele Widersacher auftreten zu lassen. Die Kämpfe sollen nicht über ein bestimmtes Maß hinausgehen, denn das Denken und Handeln der Jugendlichen ist das Hauptanliegen der Autoren. Wie wird jeder einzelne von ihnen damit fertig, dass er ein Mutant, eine Bedrohung für andere ist und von ‚normalen‘ Menschen gefürchtet wird? Auf welche Seite werden sich die verwirrten jungen Leute schlagen, auf die von Professor Xavier oder die von Magneto? Sind überhaupt noch Beziehungen zu ‚normalen‘ Menschen möglich oder bleibt man als Mutant besser unter sich? Sind alle Gaben nützlich und kontrollierbar? Haben auch jene eine Chance auf ein annehmbares Leben, die optisch als Mutant erkennbar sind?

Die Antworten lassen sich alle in „X-Campus“ finden, das durchaus eine lohnenswerte Lektüre darstellt, da die Story der X-Men einmal ganz anders angepackt und erzählt wird, selbst wenn die Zeichnungen sicher nicht den Geschmack von jedem Leser treffen werden.