Ellen Schreiber: Vampire Kisses (Finstere Sehnsucht / Dunkle Ahnung / Düsteres Versprechen) (Buch)

Ellen Schreiber
Vampire Kisses
(Finstere Sehnsucht / Dunkle Ahnung / Düsteres Versprechen)
(Vampire Kisses / Kissing Coffins / Vampireville, 2003/2005/2006)
Aus dem Amerikanischen von Eva Kemper
Titelgestaltung von pecher und soiron
Mira, 2010, Taschenbuch, 508 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-89941-673-2

Von Irene Salzmann

Bereits als kleines Kind liebte Raven Vampir-Filme, düstere Musik und kleidete sich schwarz. Im Kindergarten und in der Schule von Dullsville war und ist sie daher eine Außenseiterin und wird vor allem von Trevor, einem gleichaltrigen Jungen, gequält. Erst in Becky, die auf der ‚falschen‘ Seite der Stadt lebt und darum gemobbt wird, findet sie eine Freundin.

Obwohl die Mädchen grundverschieden sind, hängen sie zusammen ab und vertrauen einander ihre größten Geheimnisse an. Eines davon betrifft die neuen Bewohner eines Herrenhauses, das lange leer stand: Raven ist davon überzeugt, dass es sich um Vampire handelt. Der Butler ist gruselig, das Paar, dem das Anwesen nun gehört, ist ständig auf Reisen, und der Sohn scheint nur nachts auszugehen. Und Alexander ist Ravens Traumprinz! Als sie von ihm eine Einladung zum Dinner erhält und ihn näher kennenlernt, glaubt sie, dass sich ihr sehnlichster Wunsch bald erfüllen wird, nämlich die Wandlung zum Vampir. Aber weit gefehlt. Genauso wie sich Raven als Außenseiterin in ihrer Welt fühlt, ist auch Alexander unglücklich und wäre lieber ein Mensch. Darum weigert er sich, Raven zu beißen.

Doch dann tauchen Jagger und seine Schwester Luna auf, die Alexander einst als Braut zugedacht war, und auf Rache sinnen, weil er die Verlobung löste. Um zu verhindern, dass Jagger Raven an sich bindet, ist Alexander womöglich gezwungen, seine Freundin zu wandeln. Gleichzeitig macht Luna Trevor schöne Augen, und Raven befürchtet das Schlimmste für die Bewohner Dullsvilles, sollte der arrogante, launische Mitschüler zum Vampir werden…

Mehr und vor allem Details zu verraten, würde das Lesevergnügen sehr schmälern. Tatsächlich besteht „Vampire Kisses“ aus drei Einzelbänden („Finstere Sehnsucht“, „Dunkle Ahnung“ und „Düsteres Versprechen“), in denen wahrlich eine Menge passiert. Da noch fünf weitere Storys existieren, darf man hoffen, dass auch diese noch von Mira in zwei weiteren Sammelbänden publiziert werden.

Die Autorin schildert aus Ravens Perspektive das spießige, langweilige (engl. dull) Dullsville und seine Bewohner, von denen sich das Gothic Girl abhebt wie das schwarze Schaf in einer Herde weißer Lämmer. Sowohl durch ihr Outfit als auch durch ihr Denken und Handeln unterscheidet sich Raven von all den genormten, geschniegelten und gestriegelten Fußballspielern und Cheerleadern. Auch mit ihrer Familie hat sie es nicht leicht, denn die lockeren Hippy-Eltern mutierten nach der Geburt des ‚kleinen Strebers‘ Billy zu karrieresüchtigen Yuppies. Das alles wird auf amüsante Weise und in anekdotenhaften Rückblenden beschrieben, sodass man eine Vorstellung vom Milieu bekommt und mit Raven fühlt.

Ein Lichtblick in dieser Öde ist Alexander; gutaussehend, schüchtern und mysteriös. Lange fragt man sich: Ist er nun ein Vampir oder nicht? Liegt es an den Gerüchten, die Trevor und andere verbreiten, und an Ravens Hoffnung, dass Alexander ein Vampir ist und sie zu seinesgleichen machen wird, dass man alle mehrdeutigen Begebenheiten entsprechend interpretieren möchte? Oder ist wirklich ein Blutsauger und sehr geschickt darin, seine blutigen Geheimnisse zu verbergen? Natürlich ergeben sich daraus Missverständnisse und Konflikte. Alexander möchte das sein, was Raven ist – und umgekehrt. Aber liebt sie ihn bloß, weil sie sich nach ewigem Leben und ewiger Liebe sehnt? Oder kann sie ihn tatsächlich so akzeptieren, wie er ist, und verstehen, aus welchen Gründen er sie nicht wandeln will? Vermag Alexander seinen Blutdurst unter Kontrolle zu halten, selbst wenn Raven ihm ihr Blut beim Knutschen anbietet? Was wird, wenn sie altert und nicht wie er für immer jung bleibt? Oder altert auch Alexander? Das sind jedoch Fragen, die nur am Rande oder gar nicht beantwortet werden.

Stattdessen lenkt die Autorin von diesen Problemen ab und trägt von außen Spannung in die Geschichte, indem sie mit Jagger und Luna zwei Vampire einführt, die nicht verleugnen, was sie sind, zudem Spaß an der Jagd und am Bluttrinken haben, eine offene Rechnung mit Alexander begleichen wollen und keine Skrupel kennen, Raven, Trevor und andere für ihre Zwecke einzuspannen. Zwar bemüht sich Alexander, seine Freundin zu beschützen, aber das allein reicht nicht. Darum wendet Raven so manchen Trick an, um sich und Alexander die gefährlichen Gegner vom Hals zu halten und die Bewohner Dullsvilles zu retten.

Das alles wird in einem unterhaltsamen Stil erzählt, der vor allem junge Leserinnen anspricht, aber dankenswerterweise nicht in übertriebenen Jugend-Jargon abgleitet, der das Ganze unglaubwürdig gemacht hätte. So hat man das Gefühl, Raven säße einem gegenüber und schildere einem ihre aufregenden, spannenden und kuriosen Abenteuer. Hinzu kommen etliche Anspielungen auf bekannte Filme und Schauspieler, Songs und Musiker (weniger auf Autoren und Bücher).

Bei Tokyopop ist vor einiger Zeit eine Manga-Adaption von Ellen Schreibers Romanen unter dem Titel „Vampire Kisses – Blood Relatives“ in drei Teilen beziehungsweise in der Neuauflage als Sammelband erschienen, gezeichnet von Rem. Die Handlung der Vorlage ist hier allerdings stark zusammengestrichen, teilweise auch etwas geändert worden. Der US-Manga ist klar und ansprechend illustriert und wendet sich an ein sehr junges Publikum.

Der Sammelband „Vampire Kisses“ ist ein riesiger Spaß für (weibliche) Vampir-Fans ab 13 Jahre, denen „Twilight“ etwas zu langatmig, „Vampire Academy“ (noch) zu blutrünstig und „Black Dagger“ (noch) zu erotisch ist. Die Protagonisten sind typische Teenager, die überall anecken, obwohl sie sich nur selbst verwirklichen und ihr junges Leben genießen wollen. Ihre Romanze geht nicht übers Händchenhalten und einige Küsse hinaus. Auch der Gruselfaktor hält sich in Grenzen, denn im Vordergrund steht wirklich: der Spaß! Auch die reifere Leserschaft hat viel Vergnügen an dieser spritzig-witzigen Lektüre, wenn sie sich auf die jungen Protagonisten und die Seitenhiebe, die sich gegen das bigotte Spießbürgertum richten, einlassen kann.