Trudi Canavan: Magie: Die Gilde der Schwarzen Magier 0 (Buch)

Trudi Canavan
Magie
Die Gilde der Schwarzen Magier 0
(The Magician’s Apprentice, 2009)
Aus dem Australischen von Michaela Link
Titelgestaltung und Vignette von HildenDesign/Max Meinzold
Karten von Fischer-Leitl
Penhaligon, 2009, Hardcover, 732 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-7645-3037-2 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

„Magie“ ist das Prequel zu der Trilogie um „Die Gilde der Schwarzen Magier“, an die ein weiterer Dreiteiler um die Hauptfigur Sonea anknüpft. Man muss die anderen Bände nicht kennen oder lesen, um mit dem vorliegenden Roman etwas anfangen zu können, denn er ist in sich abgeschlossen und schildert Ereignisse, die viele Jahre vor der eigentlichen Serien-Handlung spielen.

Tessia, die Tochter eines Heilers, hadert mit ihrem Schicksal: Obwohl sie ihrem Vater seit Jahren zur Hand geht und viel gelernt hat, darf sie den Beruf nicht ausüben und seine Nachfolgerin werden, weil sie eine Frau ist und heiraten soll. Als sie plötzlich Magie entfaltet, eröffnen sich ihr völlig neue Möglichkeiten. Lord Dakon bietet ihr an, dass sie in sein Haus zieht und dort zusammen mit seinem anderen Lehrling Jayan unterrichtet wird, damit sie ihre Gabe zu kontrollieren lernt und nicht für sich und andere zur Gefahr wird. Das junge Mädchen ergreift ihre Chance. Vor allem der Gedanke, ihre Kenntnisse als Heilerin mit Magie zu verbinden, fasziniert sie. Dafür hat Jayan, der befürchtet, sein Meister habe nun weniger Zeit für ihn, wenig Verständnis, denn für ihn bedeutet Magie Macht und die Aussicht auf Einfluss und Reichtum und Unabhängigkeit von seinem Vater.

Als Lord Dakon und seine beiden Meisterschüler in der Hauptstadt weilen, um den König davon zu überzeugen, dass die Grenze zwischen Kyralia und Sachaka besser gesichert werden muss, greift das Nachbarreich an und verwüstet einige Dörfer. Auch die Angehörigen von Tessia finden einen qualvollen Tod. Ein wachsendes Heer rückt immer weiter vor, während sich die Lords immer noch uneins sind, ob sie zurückweichen und verhandeln oder in den Krieg ziehen sollen. Tatsächlich gibt es immer noch einige unter ihnen, die nicht glauben wollen, dass ihre einstigen Unterdrücker zurück erobern wollen, was ihnen vor Jahren abgerungen wurde. Zusammen mit einigen Verbündeten und ihren unerfahrenen Schülern versucht Lord Dakon, einen Gegner aufzuhalten, der keinerlei Skrupel kennt, bis der König mit Verstärkung zu ihnen stößt…

Trudi Canavan gelingt es, ihre Leser – insbesondere die Leserinnen – schnell in die Handlung zu ziehen, denn sie bietet ihnen mit Tessia eine geeignete Identifikationsfigur: eine junge Frau, die große Ziele verfolgt, um anderen helfen zu können, aber von ihren Eltern und dem Gesellschaftssystem an der Realisierung ihrer Wünsche gehindert wird. Durch ihre Augen lernt man das Leben der Menschen in Kyralia kennen und erfährt, wie anders die Bewohner des in einigen Bereichen fortschrittlicheren Nachbarreichs Sachaka sind, deren Untertanen die Kyralier einst waren. Die sachakanischen Lords halten Sklaven und bedienen sich deren Kräfte, um ihre eigene Magie zu stärken, während die Kyralier ihren Angestellten Wohnungen und Lohn geben, die Aneignung von Kraft ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist.

Lord Takado ist das Paradebeispiel für einen ‚bösen Sachakaner‘, der seine Sklaven quält, Frauen vergewaltigt – auch an Tessia versucht er, sich zu vergreifen –, und Unschuldige tötet, um seine Macht zu vergrößern. Tessia und ihr Vater schaffen es, Lord Takados Sklaven Hanara zu heilen, und Lord Dakon schenkt ihm die Freiheit – die Hanara nicht zu nutzen weiß. Er fürchtet sich vor der Rückkehr seines Herrn und begibt sich, als dieser in das Dorf einfällt, in dem man sie beide als Gäste aufnahm, sogar erneut und freiwillig unter dessen Knute, um für sich schlimmste Folter und den Tod abzuwenden. Tatsächlich ist er sogar stolz auf seinen mächtigen, skrupellosen und klugen Peiniger, mit dessen Schicksal er sein eigenes verknüpft.

Aber nicht alle Sachakaner gieren nach Macht, Ländereien und Sklaven. Vor allem die unterdrückten Frauen, allen voran Stara, die durch ihren längeren Aufenthalt in dem Reich Elyne, wo sie in die Magie eingeführt wurde, zum Freigeist wurde, gehen geheime, den gesellschaftlichen Rang außer acht lassende Bündnisse ein, um einander zu helfen. Diese Kapitel lassen am Ende, trotzdem Stara und ihre Gefährtinnen einen Ausweg finden, einige Fragen unbeantwortet, als habe sich die Autorin hier die Option auf ein weiteres Buch offen halten wollen, das sich mit dem Schicksal dieser Gruppe befasst, eventuell auch dem der kyralischen Magier, das auf den letzten Seiten nur noch kurz zusammengefasst wird. Auch diese sind nicht einheitlich ‚gut‘, da so mancher von ihnen seine privaten Vorteile sucht und die Gefahr, die alle betrifft, ausblendet oder sich von der Macht korrumpieren lässt. Tessia, Jayan und einige andere lernen, ihr Wissen zu teilen und auf diese Weise auszugleichen, was ihnen die Sachakaner an magischer Stärke und durch die Größe ihrer Armee voraus haben. Ihr Zusammenspiel legt den Grundstein für „Die Gilde der Schwarzen Magier“ 1 bis 3.

Nicht fehlen darf eine Prise Romantik. Man ahnt früh, wer sich zu wem hingezogen fühlt, auch wenn das Paar einen langen Weg gehen muss, um Missverständnisse zu überwinden und die eigenen Gefühle zu erkennen. Da diese Liebe sehr dezent einfließt, stört sie nicht die eigentliche Handlung, die vor allem aus den Beschreibungen der Gesellschaftsysteme und der Weiterentwicklung der Charaktere besteht und dabei auch nur verhaltene Action zulässt. Leserinnen sind damit sehr zufrieden, während Leser vermutlich gern ein wenig mehr Schlachtengetümmel gehabt hätten.

In Folge ist „Magie“ ein sehr gefälliger, in erster Linie an ein weibliches Publikum ab 15 Jahre adressierter epischer Fantasy-Roman, in dem interessante Kulturen und Protagonisten beschrieben werden, sich Romantik und Action die Waage halten – und der sich, ohne dass man sich dessen beim Lesen gleich bewusst wird, als Pageturner entpuppt, den man erst nach der letzten Seite aus der Hand legt.