Paul A. Müller: Die Seifenblasen des Herrn Vandenberg (Buch)

Paul A. Müller
Die Seifenblasen des Herrn Vandenberg
Verlag Dieter von Reeken, Neuausgabe der 1939 erschienenen einzigen Ausgabe im Neusatz, Paperback, 177 Seiten, 9 Abbildungen, mit Vorbemerkungen des Herausgebers, 17,50 EUR, ISBN 978-3-940679-41-3

Von Carsten Kuhr

Paul A. Müller gehört zu den bedeutendsten deutschen Autoren im phantastischen Abenteuerbereich. Seine Serien „Sun Koh“ und „Jan Mayen“ beeinflussten Generationen von Lesern, seine exotischen Handlungsorte und mitreißenden Ideen beeinflussten nicht nur der Welt größte SF-Serie sondern auch namhafte Autoren.

Nachdem der in der Schweiz beheimatete SSI Verlag die Neuauflage der Werke des Autors, der vielen Lesern unter seinen Pseudonymen Freder van Holk und Lok Myler bekannt war, zwischenzeitlich wohl eingestellt hat, suchte und fand der literarische Nachlassverwalter Heinz J. Galle in Dieter von Reeken und dessen Verlag einen würdigen und verlässlichen Partner, um dort die oftmals zu Unrecht vergessenen Bücher des Autors neu aufzulegen. Neben der Neuauflage der Serie „Jan Mayer“ im Neusatz werden sukzessive auch die Romane PAMs, wie ihn seine Bewunderer und Fans nennen, dort neu zugänglich gemacht.

Den Auftakt machen die 1938/1939 erstveröffentlichten „Seifenblasen des Herrn Vandenberg“. Anders als spätere Romane erwartet den Leser vorliegend kein durchgängig erzähltes Werk, sondern ein Buch, in das der Autor, umrahmt von einer inhaltlich etwas dürftigen Rahmenhandlung, vier Novellen hat einfließen lassen, die er zum Teil später zu eigenständigen – und letztlich überzeugenderen – Romanen ausgebaut hat.

Wie von PAM gewohnt aber, wird auch vorliegend ersichtlich, warum die Titel dieses Autors die Herzen der Leser eroberten. Eine schier unglaubliche Fülle an wissenschaftlichen Ideen paart sich mit einem zumeist jungen, naiven – aber das Herz auf dem rechten Fleck tragendem – Protagonisten. Dabei fällt auf, dass der Autor, anders als in seinen späteren Werken, den Nationalsozialisten durchaus nach dem Munde erzählt hat. Deutsche Ingenieurskunst muss die Welt retten, die weiße (arische) Rasse erobert in Afrika neuen Lebensraum, Neger und Asiaten kommen, wenn überhaupt, als Diener oder Verbrecher vor. Vieles davon ist sicherlich ein Zeichen der Zeit, dennoch fallen bei der Lektüre diese Ansätze auf. Auch seine Protagonisten bleiben, verglichen mit späteren Figuren, noch relativ blass und in ihrer Ausgestaltung letztlich unglaubwürdig. Alles ordnet sich den phantastischen Ideen unter, und letztere sind es denn auch, die dem Buch nicht nur sein Gepräge verleihen, sondern die Lektüre auch interessant und spannend gestalten.

Den Auftakt macht „Das eisige Feuer“. Wir befinden uns in New York zu Beginn der 30er Jahre. Die Weltwirtschaftskrise hat die Gesellschaft fest in ihrem Griff, Arbeitslosigkeit, Not und Hunger bestimmen den Alltag. Auch Phil Enge, immerhin gestandener Ingenieur, kann ein Lied davon singen. Eines Tages findet er im Park eine seltsame metallene Kugel. Erste Experimente führen dazu, dass er sich sein Gesicht böse verbrennt, während seine Finger erfrieren. Wie kann das sein, dass ein solch kleines Gerät derartige Hitze, dann wieder Kälte, abzustrahlen in der Lage ist? Die Spur führt zu einem exzentrischen Erfinder und dessen Kollegen. Zunächst will dieser Phil mit 100 $ abspeisen, doch dann tritt Phil dem Stab bei und sorgt, unter Mitwirkung eines reichen Gönners aus den Niederlanden, für die wirtschaftliche Verbreitung der neuen Energiequelle.

Nach einem sehr gemächlichen Start nimmt das Tempo permanent zu, bestechen kleine Geschichten in der Geschichte und das vermiedene Happy End.

In „Die wachsende Sonne“ – die PAM 1948 zusammen mit der dritten Novelle zu einem eigenständigen Roman ausgebaut hat – erhält der deutsche Betoningenieur Jürgen Kanter den Auftrag, in Brasilien vier riesige Schornsteine zu errichten. Ein paar Jahre später, mittlerweile ist er nach Deutschland zurückgekehrt und hat sich verlobt, erfährt er von seiner Verlobten, dass die Brasilianer mit Hilfe der von ihm gebauten Schornsteine versuchen, die Atmosphäre aufzuheizen. Als Kanter mittels einer technischen Zukunftsvision die Folgen seiner Arbeit erkennt, reist er nach Brasilien um das Schlimmste zu verhindern.

Auffällig ist hier insbesondere, dass Müller seine Figur im Laufe der Geschehnisse dreht. Zunächst ganz dem Glauben an die Allmacht der Technik verschrieben, muss der Ingenieur erkennen, dass seine Schöpfung missbraucht werden kann, und er letztlich Verantwortung für sein Handeln übernehmen muss. Neben der brandaktuellen These der globalen Erwärmung – hier mittels Verbrennung von Kalkvorkommen – und des Umweltterrorismus präsentiert Müller neben dem Helm der potentielle Zukünfte sichtbar macht auch einen Transmitter.

Die beiden kürzeren Texte, „Der sterbende Strahl“ sowie „Die gestohlene Schwerkraft“, schließen den Band ab. In der ersten Novelle zerstört ein der Erde nahe kommender Komet allen Stahl. Lediglich die Nationen, die auf die neuen Leichtmetalle gesetzt haben, überstehen die Katastrophe relativ glimpflich. Neben einer absehbaren Liebeshandlung überrascht insbesondere die realistische Darstellung der Abhängigkeit der modernen Welt von einem Rohstoff – damals Stahl, heute Öl.

In „Die gestohlene Schwerkraft“ sorgt ein Komet dafür, dass die Erdanziehungskraft rapide nachlässt – mit ebenso amüsanten, wie überraschenden Folgen.

Wer als Leser PAM von seinen gefeierten Serien „Sun Koh“, „Jan Mayen“ oder „Rah Norton“ kennt, der wird auf viele später dort wieder verwendeten Ideen treffen. Allerdings liest sich der Episodenroman nicht ganz so spritzig, wie spätere Werke. Ausgehend von der nicht ganz überzeugenden Rahmenhandlung um Vandenberg erwartet den Rezipienten zwar ein wahres Feuerwerk an utopisch-phantastischen Ideen, die aber jeweils ein wenig brauchen, bevor die Handlung in Schwung kommt, und den Leser packt.