P. Djèlí Clark: Die toten Katzen-Assassinen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 03. September 2025 10:00

P. Djèlí Clark
Die toten Katzen-Assassinen
(The Dead Cat Tail Assassins, 2024)
Übersetzung: Bernd Sambale
Titelbild: Martina Fackova
Cross Cult, 2025, Paperback, 240 Seiten, 16,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Willkommen in Tal Abisis, einer Metropole, in der Orient und Okzident aufeinanderstoßen. Hier, an den Ufern eines Flusses, wird gehandelt, gefeiert und gemordet. Hier werden Reichtümer erworben, Missionen ausgesandt und Ambitionen begraben. Und hier, genau hier, leben die Götter.
Eine dieser Gottheiten, Aeril, offeriert ihren Gläubigen eine Art Todesknechtschaft. Wer den Vertrag mit der Göttin unterschreibt und sich für 100 Jahre an sie bindet, wird von den Toten wiedererweckt. Alle Erinnerungen an das frühere Leben werden gelöscht, atmen muss man nicht mehr, und auch Genuss ist - wenn auch eingeschränkt, da man weniger fühlt - weiterhin möglich. Doch es braucht stets mehr von allem: mehr Essen, mehr Alkohol, mehr Drogen, mehr Sex.
Die meisten der Auferstandenen verdienen sich ihren Unterhalt als Köche, doch die Göttin betreibt auch eine Gilde von Assassinen.
Dazu sollte man wissen, dass derlei in Tal Abisis Tradition hat. Es gibt drei - früher einmal vier - Vereinigungen dieser Art, die sich sklavisch an drei eiserne Regeln halten:
1.Der Vertrag muss gerecht sein - Kinder und Unschuldige dürfen nicht als Opfer genannt werden.
2.Ohne Vertrag darf kein Assassine morden.
3.Hat man einen Vertrag akzeptiert, muss man diesen binnen eines Tages ausführen.
Bricht man den Schwur, bricht buchstäblich die Hölle los.
Eveen ist eine dieser Assassininnen. Doch als sie ihr neuestes Opfer, Himmel genannt, zu Gesicht bekommt, geschieht etwas, das nicht geschehen darf: Sie erinnert sich. Denn ihr Ziel ist niemand anderes als sie selbst - eine Version aus der Vergangenheit. Was soll sie tun, wie den Kopf aus der Schlinge ziehen?
Es schließt sich eine Nacht voller Gefahren an. In den letzten Stunden des großen Stadtfestes gilt es für Eveen und Himmel, das Mysterium um den Auftrag zu lösen, bösen Intrigen auf die Schliche zu kommen, den ausgesandten auf sie angesetzten Assassinen zu entgehen und die Schuldigen zu entlarven.
Die Spur führt in die höchsten, ja die allerhöchsten Kreise der Stadt - zu jenen, die gemeinhin nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Doch Eveen wagt ein waghalsiges Spiel, als sie ihre Göttin mit hineinzieht…
Was kann P. Djèlí Clark doch schreiben! Derzeit gehört der Autor zu den aufregendsten Stimmen der internationalen Phantastik. Mit seinen Romanen (auf Deutsch bei Festa und Cross Cult erschienen) sorgt er gleichermaßen für begeisterte Leserstimmen wie für klingelnde Kassen in den Buchhandlungen.
Nach einem Weird-Fiction-Roman und dem Ausflug in eine Mischung aus Steampunk und magischen Gottheiten (dt. „Meister der Djinn“) legt er mit dieser Novelle eine neue Schöpfung vor.
Wie in den meisten seiner Werke stellt er eine dunkelhäutige Frau ins Zentrum des Geschehens - wobei dies für die Handlung selbst meist zweitrangig ist. Stattdessen fesselt uns vor allem die beschriebene Welt. Sie erinnert an ein antikes Kairo mit großen Monumentalbauten, Slums und Souks, Göttern und riesigen mechanischen Wesen - und eben auch Toten, die munter die Straßen bevölkern. Doch Zombies sind sie keineswegs: Zwar haben sie ihre Erinnerungen an ihr früheres Leben verloren, doch Intelligenz, Talente und im Falle Eveens sogar ihre Moral bleiben ihnen erhalten.
Der Autor und sein kongenialer Übersetzer treffen Eveens oft fast vulgären Jargon, ihre bewusste Gassensprache, wunderbar und nutzen sie als starkes Stilmittel. Voller dunklem Humor entfaltet sich der Plot - ein Handlungsbogen, der sich, auch aufgrund seiner Kürze, auf das Wesentliche konzentriert und durch pointierte, messerscharf beobachtete Figuren besticht.
Dass sich nicht alles problemlos ins Deutsche übertragen ließ, erklärt uns die Lektorin in einer kurzen Anmerkung am Ende des Bandes. Clark lässt die Gottheiten bewusst in einem Kreol-Englisch parlieren und spielt auf Reggae-Titel an, die schlicht nicht übersetzbar waren.
Dennoch entfaltet der Text einen starken Sog. Mit unbändigem Interesse blätterte ich die Seiten um, wollte wissen, wie es weitergeht, wie sich die Rätsel auflösen, ob sie ihren Schwur erfüllen - oder die Konsequenzen tragen müsste.
Das Ganze hat Flair, ist rasant erzählt, voller unerwarteter Wendungen und nie selbstzweckhafter Gewalt, voller Ideen und markanter Charaktere. Eine klare Leseempfehlung. Nur Vorsicht - nichts für schwache Nerven.