Eve Samson: Die Ausbildung zur Büro-Sklavin (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 19. Juni 2025 08:57

Eve Samson
Die Ausbildung zur Büro-Sklavin
Blue Panther Books, 2023, Taschenbuch, 154 Seiten, 12,90 EUR
Rezension von Irene Salzmann
Über die Autorin, die sich Eve Samson nennt, erfährt man, dass sie im gleichen Milieu wie Carla, die Hauptfigur in „Die Ausbildung zur Büro-Sklavin“, arbeitet und in ihrem Privatleben sowohl dominante als auch devote Neigungen auslebt, dadurch auf Erfahrungen zurückgreifen kann, die sie in ihren Geschichten verarbeitet. Der vorliegende Roman ist ihre erste Publikation bei Blue Panther Books.
Eigentlich ist Carla Müller für ihren Job als einfache Sekretärin in einem IT-Unternehmen überqualifiziert, doch ist sie eine von vielen: strebsam, korrekt und eine graue Maus. Unverhofft erregt sie die Aufmerksamkeit von CEO Rex Silber, den sie insgeheim bewundert, und erhält die Chance, ein ganz spezielles Chefsekretärinnen-Training zu absolvieren. Kann sie sich qualifizieren, winken ihr Aufstieg in der Firmen-Hierarchie, Reisen, hohes Einkommen.
Was man jedoch bei der ungewöhnlichen Prüfung von ihr erwartet, erschreckt Carla. Obendrein muss sie sich sofort entscheiden: Entweder erfüllt sie widerspruchslos die sexuellen Forderungen der maskierten Männer - alles Personen aus der Chefetage - oder das Angebot wird zurückgezogen, und es gibt kein zweites.
Hoffend, Rex näherzukommen, lässt sich Carla auf „Die Ausbildung zur Büro-Sklavin“ ein. Das Prinzip dahinter ist der Glaube, dass das stark eingespannte Führungspersonal effektiver arbeitet, wenn ihm zum Ausgleich Entspannung in jeglicher Hinsicht geboten wird, wofür ausgewählte Sekretärinnen zuständig sind.
In einem exklusiven Trainingscamp lernt Carla, optisch das Beste aus sich herauszuholen und den seltsamsten, ja, selbst abstoßenden Befehlen der Vorgesetzten zu gehorchen.
Die zärtlichen Ermutigungen ihrer Kolleginnen, aber auch der Gedanke an Rex lässt sie die harte Schule aushalten - und Carla stellt fest, dass sie sogar Spaß daran hat, weil sie zuvor noch nie so viel sexuelle Befriedigung erleben durfte. Doch wird sie auch in dieser speziellen Position erneut nur eine von vielen sein und der Wunsch, dass Rex Interesse an ihr zeigt, womöglich ihre Gefühle erwidert, ein Traum bleiben?
Der Roman antwortet auf so manche Phantasie, die gewiss viele Sekretärinnen/Angestellte hegen: beruflicher Aufstieg, gutes Einkommen, Dienstreisen inklusive der Möglichkeit, einige freie Tage fürs Amüsement anzuhängen, schicke Outfits, attraktive Männer, die wissen, was Frauen wollen. Träumen darf man ja. Ob man jedoch so weit gehen würde wie die Protagonistinnen in „Die Ausbildung zur Büro-Sklavin“, die für ihre Karriere ausgefallene erotische Dienstleistungen erbringen müssen, welche über den Büroflirt und das „Hochschlafen“ hinausgehen, steht auf einem anderen Papier.
Was in einem Roman mehr oder minder romantisch beziehungsweise erotisch wirken und zu einem Happy End führen mag, verläuft nicht zwangsläufig auch in der Realität so glatt.
Carlas Geschichte folgt im Prinzip George Bernard Shaws „Pygmalion“ (nach Ovid; Adaptionen: „My Fair Lady“, „Pretty Woman“). Die junge Frau wird optimiert beziehungsweise neu geschaffen durch eine Schar Friseure, Kosmetiker, Sporttrainer, Ernährungsberater und so weiter. Ferner muss sie sich allen sexuellen Praktiken hingeben, angefangen bei Blümchensex über BDSM bis hin zu Natursekt.
Die jungen Frauen stehen in der Hierarchie weit unten, die Chefs thronen hoch über ihnen, was schon die Namen verdeutlichen: Carla „Lieschen“ Müller und Rex „edler König“ Silber. Dadurch wird impliziert, dass die „hohen Herren“, die hart arbeiten, schwierige Entscheidungen fällen und kaum über ein Privatleben verfügen, sich ein Anrecht auf einen Ausgleich verdient haben, in dem Fall auf besondere Dienstleistungen seitens der ausgewählten, willigen Frauen. Da sie mitmachen, stimmen sie dem Vertrag zu, und an der Sache ist nichts mehr verwerflich.
Für ihre Vorgesetzten sind Carla und die anderen kaum mehr als Objekte, mit denen jeder machen darf, was er will. Ist der jeweilige Benutzer zufrieden, kann das der Edel-Prostituierten, denn genau das sind die Damen, zum Vorteil gereichen.
Doch nicht jeder Freier geht achtsam mit den Dienstleisterinnen um. Besonders gefürchtet sind jene Chefs mit zwei Gesichtern, die im Berufsalltag jovial und freundlich auftreten und viele Verehrerinnen haben, welche nicht ahnen, wie dünkelhaft, grausam und menschenverachtend ihr Schwarm sein kann, sobald die Fassade fällt. Wird Rex Carla vor seinem eigenen Assistenten bewahren - oder verbirgt auch der CEO sein wahres Wesen?
In der Summe ist „Die Ausbildung zur Büro-Sklavin“ ein harter „SM-Roman“, wie schon das Cover verrät. Die Hauptfigur hofft, endlich ihre Träume verwirklichen zu können, weshalb sie sich auf die spezielle Offerte einlässt, selbst nachdem sie zu ahnen beginnt, was sie erwartet. Über ihre Optimierung ist Carla nicht allzu glücklich, doch nach wie vor bereit, den Preis zu bezahlen, um vielleicht „ihren Rex“ zu bekommen. Sie unterwirft sich, wie so manche Frau, die sich zum Beispiel für eine Schönheits-OP entscheidet, den (gesellschaftlichen) Zwängen: aus Gehorsam gegenüber dem Partner, der sich sonst eine Jüngere, Hübschere nimmt, in dem Bestreben, den Auserwählten auf sich aufmerksam zu machen und ihn gegebenenfalls einer anderen auszuspannen, in der Hoffnung, (Model-) Karriere zu machen.
Dass Rex nicht das Original „graue Maus“, dessen Potential er erkennt, an seine Seite holt, sondern erst dem Kunstwerk Wertschätzung zeigt, hinterlässt einen bitteren Geschmack, weil er handelt wie Ovids Pygmalion, der sich in die Statue der Aphrodite verliebt, beziehungsweise Shaws Professor Higgins, der nicht für das Blumenmädchen Eliza, sondern für sein Werk Gefühle entwickelt (ein Happy End gibt es nur in den genannten Filmen).
Romantische Leserinnen, die hierin tatsächlich einem schönen Abschluss sehen, sollten sich fragen, ob sie das wirklich erstrebenswert finden: die Auslöschung der eigenen Identität, „Liebe!, die an ein Kunstprodukt und vergängliche Schönheit adressiert ist.
„Die Ausbildung zur Büro-Sklavin“ ist gut und eindringlich geschrieben, aber diese Message dürfte bei der Mehrheit der Leser nicht ankommen - und vermutlich von Eve Samson auch gar nicht beabsichtigt sein.