Julie Leong: Die Wahrsagerin kleiner Schicksale (Buch)

Julie Leong
Die Wahrsagerin kleiner Schicksale
(The Teller of Small Fortunes, 2024)
Übersetzung: Jara Dressler
Heyne, 2025, Hardcover, 400 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Julie Leong ist als Tochter malayisch-chinesischer Einwanderer in New Jersey aufgewachsen und hat einige Jahre in Peking gelebt, ehe sie in Yale Wirtschaft und Politik studierte. Heute lebt sie mit ihrer Familie in San Francisco und hat auch ihre Leidenschaft für das Schreiben entdeckt. „Die Wahrsagerin kleiner Schicksale“ ist ihr Debüt.


Tao zieht mit ihrem von einem Maultier gezogenen Wagen allein durch die Lande und ist damit zufrieden, den einfachen Menschen für ein paar Münzen ihr Schicksal vorauszusagen, kleine Dinge, die sie ändern können, oder sich ändern werden. Aus gutem Grunde jedoch nicht mehr als das.

Sie versucht unter dem Radar der Magiergilde zu bleiben, kann aber nicht verhindern, dass sich ihr irgendwann eine abenteuerlustige Bäckerin, ein ehemaliger Söldner und ein Dieb anschließen und sie zeitgleich das Schicksal einholt. Aber sie rechnet nicht damit, dass ein noch viel größeres Abenteuer auf sie wartet.


Julie Leong vermischt in dieser einfachen, aber liebenswerten Geschichte ihre beiden Lebenswelten miteinander, vielleicht steckt auch ein wenig von ihr in der Hauptfigur selbst. Und letztendlich spricht sie in dem kleinen magischen Abenteuer etwas an, was sich viele Menschen vermutlich wünschen: Eine Familie, die für einen durch Dick und Dünn geht, nicht mit dem Blut aber umso mehr mit dem Herzen verbunden.

Darum geht es vor allem. Denn Tao ist zunächst eine Einzelgängerin, die nicht wirklich jemanden an sich heranlassen will, was zum einen an ihrer Vergangenheit liegt, zum anderen aber auch an ihrer Furcht, vereinnahmt zu werden. Denn ihre Gabe ist größer, als sie nach außen hin zugibt. Doch leider sind einige Dinge unaufhaltsam und sie muss sich ihnen stellen, nur dass sie inzwischen Freunde gefunden hat, Menschen, die ebenfalls ihre Geheimnisse und Träume haben, die nicht nach Großem streben, sondern eher nach dem kleinen, alltäglichen Glück. Und das bietet die Autorin auch ihren Lesern in dieser warmherzigen und verspielten kleinen Erzählung, in der die Helden Probleme mit List und Verstand beseitigen und Konflikte auf eine angenehme Art für beide Seiten lösen.

Das Buch ist in sich geschlossen und bietet einen runden Abschluss, auch wenn ein paar kleinere Fäden offenbleiben und eine Fortsetzung problemlos möglich machen.

Die Geschichte wird leichtfüßig und mit einem Augenzwinkern erzählt, setzt auf Menschen, die die kleinen Freuden noch zu schätzen wissen und mit wenig zufrieden sind, vor allem wenn sie mit den Menschen zusammen sein können, die sie lieben oder liebgewonnen haben. Romantische Gefühle bleiben außen vor, sucht man nach einem Trope wird man vor allem Found Family entdecken können.

Damit richtet sich „Die Wahrsagerin kleiner Schicksale“ vor allem an die Genre-Fans, die die kleinen aber feinen Geschichten der Cozy Fantasy zu schätzen wissen, in denen bereits der Alltag voller Magie und die größte Macht nicht das Schwert, sondern das Wort und Aufmerksamkeit sind. Spannend ist auch das, wenn man es so geschickt anpackt wie Julie Leong.