Marion Merkelbach: Die verschwiegene Welt der Imma vom Bodensee (Buch)

Marion Merkelbach
Die verschwiegene Welt der Imma vom Bodensee
MHM, 2023, Paperback, 200 Seiten, 13,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

In den Romanen vom Marion Merkelbach stehen nicht die weltlichen und geistlichen Fürsten im Mittelpunkt, sondern eher die Frauen. Und eine Ausprägung des Christentums, die von den Anhängern der römisch-katholischen Kirche mit allem Mitteln bekämpft wurde. Wie deutlich, das erfährt man in „Die verschwiegene Welt der Imma vom Bodensee“, angesiedelt in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts.


Imma wächst zusammen mit vielen anderen, auch Mädchen unterschiedlicher Stände, in der Gallus Coenobie auf, einer klösterlichen Gemeinschaft, die nach den Regeln von Liebe und Achtung lebt, in der auch Frauen als gleichwertig und wichtig in der christlichen Gemeinschaft angesehen werden.

Allerdings spitzen sich die Konflikte mit den römischen Christen zu, so dass es zu einer Katastrophe kommt. Letztendlich bleibt Imma nur, ihr Wissen im Verborgenen weiterzugeben. Doch ist Äbtissin Lioba, die ganz im neuen Geist erzogen wurde, wirklich eine Verbündete?


Auch dieses Buch von Marion Merkelbach erinnert wieder daran, dass es gerade im ersten Jahrtausend nach der Zeitenwende noch viele unterschiedliche Ausprägungen des Christentums gegeben hat, bis die Institutionen, die mächtiger waren, sie ausgemerzt haben.

Das ist auch bei der Gallus Coenobie der Fall, einer Gemeinschaft, die auch dort lebte, wo später das Kloster Sankt Gallen entstehen sollte. Hier lebte man nach den viel liberaleren Grundsätzen der irischen Christen, die in Frauen gleichwertige Partnerinnen sahen, die ebenfalls von Gott gesegnet waren, die noch mehr nach den Grundsätzen der vier Evangelien lebten, in denen die Liebe das wichtigste Gut der Gläubigen war.

Und während sich auch im Reich etwas änderte, die merowingischen Könige durch die Hausmeier ersetzt wurden, wurde eher unbeachtet von heutigen Historikern ein grausamer Kampf ausgefochten - aber einige Ideen konnten von Frauen wie Imma über ihre Tochter Hildegard auch bis an den Hof Karls des Großen weitergetragen wurde.

Das ist der besondere Wert dieser zum Teil sicherlich spekulativen Lebensgeschichte einer Fürstin, die bisher vermutlich nur eine Fußnote der Geschichtsschreibung war. Aber sie eröffnet einen ungewöhnlichen und deshalb auch recht spannenden Blick auf eine Welt, die damals ihrem Untergang entgegen sah, sich aber doch irgendwie im Hintergrund zumindest im Geheimen erhalten konnte, wie später angesiedelte Geschichten zeigen.

So ist auch „Die verschwiegene Welt der Imma vom Bodensee“ ein weiteres faszinierendes Stück der bisher eher unbekannten Vergangenheit rund um den Bodensee, der nicht nur die Kirchengeschichte in dieser Region um neue Facetten erweitert, sondern auch wieder einmal eindrucksvoll zeigt, wie der Sieger die Geschichte für sich umschreibt.