Catriona Ward: Das Mädchen von Rawblood (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 22. Januar 2025 07:51

Catriona Ward
Das Mädchen von Rawblood
(Rawblood, 2015)
Übersetzung: Heiner Eden
Titelbild: Mihai Costea
Festa, 2024, Hardcover, 570 Seiten, 24,99 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Wer in die Familie Villarca hineingeboren wird, der hat schon verloren. Verzeihen Sie die etwas saloppe Ausdrucksweise, doch die Linie der Villarcas war und ist verflucht. Über die Generationen waren ihre Mitglieder dazu verdammt, jung an Jahren eines gewalttätigen Todes zu sterben. Dieses Schicksal droht auch einem jedem, der sich mit der Familie verbindet.
Willkommen in Devon, England, genauer gesagt in Rawblood, einem einsamen, heruntergekommenen Anwesen im Dartmoor - und die Heimat der letzten Villarcas. Hier leben Anfang des 20. Jahrhunderts die letzten beiden verbliebenen Villarcas, Iris und ihr Vater.
Als sich Iris allen Warnungen zum Trotz verliebt, ahnt sie, dass sie in Kürze der Fluch in Gestalt der Frau in Weiß treffen und die Familien-Nemesis vor Ort erscheinen wird. Doch Iris ist beileibe nicht das einzige Opfer, das mit Rawblood verbunden ist. Wir lernen weitere Menschen kennen, die, geschunden und verfolgt vom Fluch, versuchen, ein wenig Glück in ihrem Leben zu finden - und dabei scheitern…
Catriona Ward hat bei Festa eine bemerkenswerte Erfolgsstory hingelegt. Seit der Veröffentlichung ihres Bestsellers „Das letzte Haus in der Needless Street“ hat sie auch bei uns die Herzen ihrer Leserinnen und Leser erobert. Nun publiziert Festa ihren Debüt-Roman innerhalb seiner „Must Read“-Reihe.
Die Geschichten der so glücklosen Bewohner des Anwesens weisen unserer Haupterzählerin eigentlich den Weg. Sie sollte, sie darf sich nicht verlieben - auf gar keinen Fall.
Ach, würde sie nur ihrem Vater gehorchen und ihr Leben in Einsamkeit, aber relativem Frieden verleben. Doch wie die meisten Jugendlichen wirft sie die gutgemeinten Ratschläge der älteren Generation in den Wind, will nicht länger in Abgeschiedenheit von der Welt da draußen leben, möchte ein wenig Glück und Erfüllung kennenlernen.
Wie alle jungen Menschen glaubt sie, ewig zu leben, dass nichts ihr wirklich schaden könnte - und wird nur zu bald und äußerst schmerzhaft eines Besseren respektive Schlechteren belehrt.
Statt Liebe und Leben warten die Zellen einer Irrenanstalt auf sie - eine Zeit des Martyriums, die uns die Verfasserin in all ihrer Brutalität und Aussichtslosigkeit anschaulich schildert.
Ein wirkliches Happy End ist hier kaum zu erwarten, mehr ein Kampf gegen den Fluch und der Versuch, diesen unter großen persönlichen Opfern zu brechen - doch der Weg dorthin ist mit Schmerzen und inneren wie äußeren Verletzungen gepflastert.
Das hat viel innere Dramatik, zeigt uns eine junge Frau, der das Schicksal immer wieder ihre Träume und Hoffnungen zerstört, sie am Boden liegend zurücklässt und die sich mühsam versucht, trotzdem weiter zu wehren.
Atmosphärisch dicht überzeugt das Werk mit einem sehr einfühlsamen, manches Mal klinisch distanzierten Stil, dann wieder mit der intensiven Schilderung der Gefühle unserer Protagonistin.
Es ist eine Tragödie, die uns hier offeriert wird, ein Schrecken, der ganz unterschiedliche Menschen heimsucht, sie prägt und letztlich vor die Wahl stellt, sich zu fügen und sich dabei selbst, seine Hoffnungen und Wünsche aufzugeben, oder einen verlorenen Kampf aufzunehmen.