Larry Niven & Edward M. Lerner: Der Krieg der Puppenspieler (Buch)

Larry Niven & Edward M. Lerner
Der Krieg der Puppenspieler
(Destroyer of Worlds, 2007)
Aus dem Amerikanischen von Ulf Ritgen
Bastei Lübbe, 2011, Taschenbuch, 558 Seiten. 8,99 EUR, ISBN 978-3-404-24398-3

Von Gunther Barnewald

Der vorliegende Roman ist eine direkte Fortsetzung der Geschehnisse, die bereits in „Die Flotte der Puppenspieler“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 34373) und „Weltenwandler“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24376) geschildert wurden.

Die Rasse der intelligenten, herbivorischen Herdentiere, die von den Menschen Puppenspieler (im Original Pierson Puppetteers nach ihrem Entdecker und dem Aussehen dieser Außerirdischen) genannt werden, sind den Lesern von Larry Nivens Zukunftshistorie aus dem „Bekannten Universum“ (im Original „Tales of the Known Space“) geläufig, sind sie doch, in Übereinstimmung mit ihrem Namen, die großen Strippenzieher unter den intelligenten Rassen. Da die Puppenspieler extrem ängstlich und auf ihre Sicherheit bedacht sind (kein Wunder bei ihrer Herkunft), hatten sie schnell entdeckt, dass die Rasse der aggressiven, intelligenten Raubkatzen, der Kzinti, eine große Gefahr für die eigene Herde darstellen würde. So hatten sie beschlossen, eine andere Rasse gegen die Kzinti zu instrumentalisieren und diese gegeneinander zu leiten, was dann auch zu mehreren Kriegen zwischen Menschen und den Kzin führte und die Aggression der intelligenten Raubkatzen erheblich dämpfte, da sie bei den Auseinandersetzungen immer auf die Pfote bekamen.

Der vorliegende Roman erzählt jedoch von Menschen, die in der Obhut der Puppenspieler aufgewachsen sind, sogar auf einer Welt dieser Herbivoren lebten, bevor sie sich emanzipierten und ihre eigene Welt, New Terra, bekamen, welche, ebenfalls mit Planetenantrieb ausgestattet, durch den Weltraum reist, begleitet von der Weltenflotte der Puppenspieler. Angeblich hatten die Außerirdischen dereinst ein treibendes Raumschiffwrack mit menschlichen Tiefkühlschläfern geborgen und sich entschlossen, die Menschen und ihre Nachkommen bei sich aufzunehmen, eine Lüge, welche die Menschen auf New Terra mittlerweile durchschaut haben. Gegen Ende des 27. Jahrhunderts nach christlicher Zeitrechnung helfen die Menschen den Puppenspielern ihre zukünftige galaktische Reisestrecke zu erforschen, denn die Entdeckung einer gewaltigen Explosion im galaktischen Zentrum, deren Energiewelle in Tausenden von Jahren auch die Randbereiche der Milchstraße treffen und dann alles Leben gefährden wird, veranlasst die Puppenspieler, ihre eigene und mehrere terrageformte Welten aus den Bahnen ihrer Sonnen zu reißen, sie autark im Weltraum zu machen und mit gewaltigen Antrieben auszustatten. Dann beginnt die Flucht der übervorsichtigen Aliens. Da die Puppenspieler größtenteils zu ängstlich sind, um sich auch nur kleinsten Gefahren selbst zu stellen, schicken sie Menschen aus, ihre Reiseroute zu erforschen.

Im vorliegenden Roman meldet sich die überaus intelligente, aber technisch noch leicht rückständige Rasse der Gw´oth, die unter einem Eispanzer auf dem Meeresgrund ihrer Welt leben und Seesternen ähneln, bei den Menschen von New Terra, welche einst Kontakt zu den Aliens aufgenommen hatten. Die Gw´oth haben etwas Seltsames entdeckt, was sich sowohl ihrer Welt als auch der Weltenflotte nähert. Eine Rasse mit zerstörerischer Skrupellosigkeit vernichtet alle belebten Welten, die auf ihrem Weg liegen, während sie vor der Strahlung flieht. Die Pak, nahe verwandt mit den Menschen, sind so etwas wie völlig skrupellose interstellare Soziopathen, die nicht in der Lage sind, Bündnisse einzugehen, sondern in Clans leben, denen sie bedingungslos treu sind, und für die sie auch ihre eigene Rasse bis aufs Blut bekämpfen (obwohl sie angeblich hochintelligent sind!).

Sigmund Ausfaller, dem Mann von der Erde, den die Puppenspieler dereinst entführten und nach New Terra brachten, wird schnell klar, dass die Pak sowohl den Planeten der Gw´oth als auch die Weltenflotte völlig zerstören werden, wenn sie in deren Nähe geraten. Doch wie bekämpft man eine gewaltige, über weite Strecken im Raum verteilte Flotte von Schiffen, deren einzige Aufgabe Kampf und Vernichtung zu sein scheinen? Ausgerechnet dem paranoiden Sigmund Ausfaller wird immer klarer, dass nur die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Menschen, Gw´oth und Puppenspielern in der Lage sein wird, sich dieser Bedrohung zu stellen. Aber wird das Misstrauen untereinander zu überwinden sein, zumal die Gw´oth mit jeder neuen technischen Erkenntnis, die sie Menschen und Puppenspielern stehlen, immer mächtiger werden...

Wer sich mit der speziellen Future History, die Larry Niven erschaffen hat, nicht auskennt, der dürfte Probleme mit der komplexen Handlung haben. Leser dieser speziellen „Serie“ freuen sich natürlich über jede Fortsetzung, auch wenn das vorliegende Buch nicht durchgängig spannend ist und, wie bei Lerner üblich, die Charaktere, die Niven ursprünglich entwarf, wieder einmal viel zu hölzern ausgefallen sind.

Die Konstellation, vier intelligente Rassen aufeinandertreffen zu lassen, die alle unterschiedliche Interessen vertreten, ist durchaus reizvoll. Auch die Idee, menschliche Extremcharaktere als Grundlage für die Aliens zu wählen (die Pak als antisoziale Persönlichkeiten, die Puppenspieler als ängstlich-vermeidende Persönlichkeiten, die Gw´oth als hochintelligente Wissenschaftler und Forscher mit zwischenzeitlichem Kollektivverstand) ist zwar sehr reizvoll, aber der intelligente Leser fragt sich schon, wie Puppenspieler und Pak jemals eine so hochentwickelte Technik und Zivilisation erschaffen konnten, wenn sie so phobisch beziehungsweise soziopathisch sind, wie sie hier beschrieben werden. Ebenso bleibt unklar, warum die Pak und die Weltenflotte bei der Flucht vor der Strahlung aus dem Kern der Milchstraße überhaupt aufeinander treffen. Müssten sie nicht beide auf dem schnellsten Weg der kugelförmigen Strahlung entfliehen und somit gar nicht miteinander in Berührung kommen?

Trotz dieser logischen Schwächen ist „Der Krieg der Puppenspieler“ (ein leider unbefriedigender Titel, heißt das Buch doch im Original viel treffender „Destroyer of Worlds“, also „Weltenzerstörer“, aber da hier in der Kombüse der Raumschiffe auch immer ein „Synthesizer“ steht und kein „Synthetisierer“, sich die Reisenden also wahrscheinlich von Musik ernähren, muss man ja schon dankbar sein, dass der Roman nicht „Der große intergalaktische Krieg „heißt) lesbar und unterhaltsam, verglichen mit Nivens früheren Werken aus den Zeiten, als er noch selbst seine Geschichten aufschrieb, ist die vorliegende Erzählung jedoch leider nur von mäßiger Qualität.

Anhang: Eine Übersicht über den „Known Space“ in Deutschland im März 2011:

Im Folgenden habe ich versucht, eine möglichst vollständige (und teilweise noch zeitlich geordnete) Übersicht über alle Bücher zu erstellen, die im (zu deutsch) „Ringwelt-Universum“ (im Original: „Known Space“) spielen, was, tanj-nochmal (das Wort ist übrigens ein Akronym und steht für: „There ain´t no justice“) gar nicht so einfach ist.

1: „Der kälteste Ort“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24281, ursprünglich unter dem Titel „Geschichten aus dem Ringwelt-Universum“ bereits schon einmal als Bastei Lübbe Taschenbuch 24064 erschienen). Dieser Band bietet eine Zeittafel mit chronologischem Überblick über die Geschehnisse in Nivens „Future History“.
2: „Welt der Ptaav“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24279, ursprünglich gekürzt als „Das Doppelhirn“ unter der Nummer 21097 bei Bastei Lübbe erschienen, auch enthalten in „Kinder der Ringwelt“, Bastei Lübbe Taschenbuch 22111).
3: „Flatlander“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24266).
4: „Brennans Legende“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24248).
5: „Ein Geschenk der Erde“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24284, ursprünglich gekürzt als „Planet der Verlorenen“ unter der Nummer 5 und 23008 bei Bastei Lübbe erschienen, auch enthalten in „Kinder der Ringwelt“, Bastei Lübbe Taschenbuch 22111).
6: „Crashlander“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24262).
7: „Katzenhaus“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24244).
8: „Neander Tal“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24251).
9: „Höllenfeuer“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24254).
10: „Der Überlebende“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24265).
11: „Katzenmusik“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24269).
12: „Die Trojanische Katze“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24272).
13: „Outsider“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24277).
14: „Katz und Maus“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24288).
15: „Eine dunkle Geometrie“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24302).
16: „Katzenkrallen“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24316).
17: „Die Flotte der Puppenspieler“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24373).
18: „Weltenwandler“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24376).
19: „Der Krieg der Puppenspieler“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24398).
20: „Ringwelt“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24238, ursprünglich als Bastei Lübbe Taschenbuch 15/16, 21015/16 und 24003 erschienen).
21: „Ringweltingenieure“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24239, ursprünglich als Bastei Lübbe Taschenbuch 24028).
22: „Ringweltthron“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24236).

Die Bände 17-19 entstanden in Zusammenarbeit mit Edward M. Lerner.
Die Bände 7-16 enthalten hauptsächlich Texte verschiedener anderer Autoren und spielen zu Zeiten der Kriege zwischen Kzinti und Menschen.

Meiner Meinung nach könnte auch folgender Kurzroman noch in die Serie gehören, obwohl er in Deutschland nie hierzu aufgelistet wird:
„Ein Mord auf dem Mond“ (Originaltitel: „The Patchwork Girl“, Bastei Lübbe Taschenbuch 23028). Hier spielt ein Agent der ARM die Hauptrolle und ermittelt in einem Mordfall auf dem Mond.