Genevieve Cogman: Scarlet (Buch)

Genevieve Cogman
Scarlet
(Scarlet, 2023)
Übersetzung: Dr. Arno Hoven
Lübbe, 2024, Paperback, 414 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Wir schreiben das Jahr 1793. In Frankreich regiert das Proletariat, das die verhassten adeligen Vampire verfolgt und auf die Guillotine bringt. Jenseits des Ärmelkanals ist die Welt noch in Ordnung. Hier die Adeligen und die Vampire, dort die Untergebenen - die Trennung ist klar und für alle Seiten in Stein gemeißelt.

Doch das Elend jenseits der Meeresenge ruft Mitleid hervor. Die Liga des Scarlet Pimpernel, eine Gruppe Adeliger, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die noblen Vettern und die Vampire, soweit möglich, vom Festland zu retten.

Als der König verurteilt und seines Kopfes beraubt wird, seine Gattin, Maria Antoinette und der Dauphin von dem Wohlfahrtausschuss ins Gefängnis geworfen werden, bringt dies das Fass zum Überlaufen.

Eine Rettungsmission startet - der sich auch ein aufgewecktes Dienstmädchen anschließt. Eleanor war bislang als Näherin und Spenderin ihres Lebenssaftes im Haushalt einer angesehenen Vampirin angestellt. Ihre verblüffende äußerliche Ähnlichkeit mit Marie Antoinette sorgt dafür, dass sich ihr Leben drastisch ändert. Es geht gen Paris, einer Stadt, in der die Bürger hungern, die Revolutionäre ihr Schreckensregime aufgezogen haben und die Adeligen zu Dutzenden verurteilt werden.

Eigentlich hat die Mission kaum eine Aussicht auf Erfolg, aber Eleanor stößt, als sie von einem französischen Vampir gejagt wird, auf ein ganz besonderes Buch, in dem der Geist der letzten Zauberin von Frankreich seit Jahrhunderten auf seine Befreiung wartet…


Genevieve Cogman hat sich mit ihren tempo- und abwechslungsreichen Romanen um die Unsichtbare Universität in unsere Herzen geschrieben. Nun legt ihr Hausverlag Lübbe den Auftakt einer neuen Reihe vor. Äußerlich mit Spot-Prägedruck und Rundumfarbschnitt aufgewertet, entführt uns die Verfasserin in die Zeit der Französischen Revolution. Eine wahrhaft barbarische Zeit voller Hunger, Unterdrückung, Denunziantentum und Mord.

Aufgepeppt hat die Autorin diese so bereits interessante Kulisse dann noch durch die Tatsache, dass es in dieser Welt - diesseits wie jenseits des Ärmelkanals - Vampire gibt. Früher einmal, vor dem Krieg der Zauberer gegen die netten Bluttrinker, existierten auch zauberkräftige Menschen, die sich für ihre Mitmenschen einsetzten - etwas, das den Vampiren naturgemäß komplett fremd ist.

Soweit also die durchaus faszinierende Bühne, auf der Cogman ihren Plot aufzieht.

Da hinein setzt sie auf den ersten Blick stereotype Figuren mit einigem Wiedererkennungswert. Als Erzählerin dient eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen, die aber sowohl Mut wie auch Gewitztheit beweist. Sie hat gerade aus Sicht des Gesindes natürlich einen etwas anderen Einblick in gesellschaftliche Zustände und Entwicklungen, berichtet quasi von innen heraus von den Zuständen der einfachen Leute.

Zu Beginn des Romans wird dann immer wieder größerer Wert auf die Beschreibung der Kleidung der Hautevolee gelegt - immerhin ist unsere Erzählerin Näherin -, das legt sich dann aber glücklicherweise schnell. Die Reise von der Küste in die Stadt an der Seine gibt Cogman die Gelegenheit, uns die gesellschaftlichen Missstände im Frankreich der Zeit eindringlich zu schildern. Der Hunger der Armen, die Abgehobenheit und Arroganz des Adels/der Vampire, die Tribunale und Hinrichtungen - auch hier bleibt die Autorin recht vordergründig, beschreibt mehr, als dass sie erklärt oder hinterfragt.

So ist dies ein Auftakt, der durchaus munter und kurzweilig unterhält - die sich anbahnende Romanze bleibt zum Glück Stückwerk -, der aber auch ausbaufähig ist. Gerade was den vor Jahrhunderten erfolgten Krieg zwischen Vampiren und Zauberern anbelangt, muss die Verfasserin noch liefern; und ein wenig mehr Gesellschaftskritik, auch am britischen System, dürfte auch möglich sein.