John Okute Sica: Das Wunder vom Little Bighorn (Buch)

John Okute Sica
Das Wunder vom Little Bighorn
(Reflections from the Sioux World, 2009)
Übersetzung Frank Elstner
Vorwort: Liselotte Welskopf-Henrich
Illustrationen: Margaux Allard
Palisander, 2024, Hardcover, 402 Seiten, 24,90 EUR

Rezension von Christel Scheja

Der überwiegende Teil der Sachbücher und Romane über die amerikanischen Ureinwohner stammt aus der Feder von weißen Autoren. Und selbst wenn sich diese Mühe machten, tief in diese Kulturen einzutauchen, so bleibt doch immer eine gewisse Distanz. Ganz anders ist das bei Büchern wie „Das Wunder vom Little Bighorn“, denn John Ocute Sica (1890-1964) ist selbst ein Lakota-Indianer aus Wood Mountain in Kanada gewesen, der die mündliche Erzählkunst seines Volkes auf Papier gebannt hat. Das Buch erschien bereits 2009, nun gibt der Palisander-Verlag eine erweiterte Neuausgabe heraus.

 

Die Lakota waren schon immer tief verbunden mit der Natur, ihren Wundern und Schrecken, fühlten sich dieser aber nicht überlegen, sondern sahen sich als demütige Diener. Von dieser alten Welt berichten Erzählungen, wie die Pfeife des weißen Büffelkalbs zu den Menschen kam, oder wie der Grasgürteltanz entstand. Abenteuerlich wird es in der spannenden Geschichte um Maiden Chief, die mit ihrer großen Liebe durchs Feuer ging; eine Variation der Erzählung ist mit „Amber Moon“ ebenfalls enthalten. Es geht um mutige Krieger und seltsame Gestalten, junge Frauen, die sich mit Weißen einließen und am Ende doch zu ihrem Stamm zurückfanden.


Die Geschichten berichten so auf eine ganz besondere Weise, von den Gebräuchen und dem Selbstverständnis der Lakota, erzählen aber auch ihre Sicht der Schlacht am Little Bighorn und den nachfolgenden Massakern, berichten von dem Untergang ihrer so vertrauten Welt und dem Zusammenleben mit den Weißen.

Man merkt, dass der Autor aus dem Vollen schöpfen konnte, zumal er Vieles davon auch noch selbst erlebt hat oder aus den direkten mündlichen Erzählungen seiner eigenen Großeltern und Eltern erfuhr. Dabei geht er sehr versöhnlich mit allem um, klagt niemanden an, sondern bleibt eher sachlich. Er überhöht die Taten seines Volkes nicht, stellt sie aber auch nicht unter den Scheffel und schlägt so eine Brücke zwischen den Völkern.

Es ist interessant zu erfahren, wie die Lakota die Weißen und die an ihnen verübten Gräueln miterlebten, und wie sie versuchten, das zu verarbeiten. Gleichzeitig bekommt man als Weißer eine Ahnung wie reichhaltig und lebendig die Kultur war, die so massiv unterdrückt wurde. Und es stört auch nicht, wenn „Maiden Chief“ und „Amber Moon“ eigentlich die gleiche Geschichte erzählen, da die Schwerpunkte anders sind, denn erstere wurde in der Zeit des Untergangs angesiedelt, die zweite Version spielt weitaus früher.

Zugleich staunt man auch darüber, dass die Lakota von sich selbst behaupten, aus dem Süden gekommen zu sein, und dies durch die neuesten archäologischen Funde von über 45.000 Jahre alten Siedlungsspuren sogar belegt wird.

Ergänzt wird das Ganze auch noch durch ein langes Vorwort der Forscherin und Schriftstellerin Liselotte Welskopf-Henrich, die John Okute Sica selbst noch kennenlernen durfte und weitere Texte, die den Autor und seine Geschichte genauer vorstellen.

Das macht „Das Wunder vom Little Bighorn“ zu einer bunten und lebendigen Sammlung von abwechslungsreichen Geschichten in einer Erzählweise, die gleichermaßen fasziniert und berührt, gerade weil sich hier eine indigene Stimme erhebt und den Lesern einen spannenden Einblick in ihre Welt erlaubt.