P. Djèlí Clark: Der Spuk in Luftbahnwagen 015 (Buch)

P. Djèlí Clark
Der Spuk in Luftbahnwagen 015
(The Haunting of Tram Car 015, 2016 / A Dead Djinn in Cairo, 2019)
Übersetzung: Bernd Sambale
Titelbild: Stephan Martiniere
Cross Cult, 2024, Paperback, 192 Seiten, 14,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Wir schrieben das Jahr 1872, als sich die globalen Machtverhältnisse änderten, ja die ganze Welt. Das umherziehende sudanesische Genie Al-Dschahiz - so Mancher bezeichnet ihn auch gerne als wahnsinnig - bohrte mithilfe von Alchemie und Maschinen ein Loch in den Qaf - und plötzlich waren die magischen Wesen, so sie denn wollten, präsent. In Ägypten, dem Ausgangspunkt der Veränderung, begrüßte man die Dschinn, wie später die Engel, gab ihnen Bürgerrechte und schmiss mit ihrer Hilfe die Engländer aus dem Land.

Seit einiger Zeit aber verschwinden Menschen aus den Slums. Ghoule werden verantwortlich gemacht, doch von diesen ist bekannt, dass sie sich lieber an schmackhaften Teilen ihrer Opfer vergehen, als dass sie Lebende entführen. Was also steckt hinter den Entführungen?

Dann wird das Ministerium für Alchemie, Verzauberungen und übernatürliche Wesen zum Ort eines anderen Verbrechens gerufen. Ein Dschinn wird aufgefunden, seines Blutes beraubt, und von Glyphen umgeben. Die Spur führt auf den Friedhof, in die Stadt der Toten - wo die Ermittlerin Fatma el-Shaárawi auf einen ermordeten Engel umgeben von denselben Glyphen stößt! Schließlich gelangt sie, begleitet von Siti, zum Mittelpunkt der Verschwörung, einem Ort, an dem ein vergessener Gott…


Im Wagen 015, der die Linie in die Alte Stadt abfährt, spukt es. Und das, obwohl der Wagen doch erst zwei Jahren im Einsatz und damit fast noch nagelneu ist! Eigentlich sollte der Fall für den Ermittler Hamed Nasr und seinen neuen Partner Onsi kein Problem darstellen - Geister vertreiben, hat der frisch von der Akademie kommende Onsi im ersten Semester durchgenommen. Nur, dass der Luftbahnwagen nicht wirklich von einem Geist besessen ist, und dann auch noch die große Politik ins Spiel kommt - stoßen unserer Agenten doch an jeder Ecke ihrer Ermittlungen auf Frauen; nicht die üblichen, verschleierten Frauen aus dem Harem, das wäre ja zu einfach, nein, Suffragetten werben lautstark für ihr Wahlrecht. Und ausgerechnet in diesen Kreisen könnten die Lösung für ihr Problem zu finden sein…


Was war das für ein toller Roman - die Rede ist natürlich von „Meister der Dschinn“; und Leserinnen und Leser auf der ganzen Welt bestürmten Clark, doch weitere Abenteuer aus seiner Welt niederzuschreiben. Nun, eine Fortsetzung, wie wir dies bei Bestsellern üblicherweise kennen, ist es nicht geworden, stattdessen legt uns Cross Cult zwei kürzere Texte aus dem Kairo der Dschinn vor, die uns bekannte Figuren und neue Protagonisten offerieren.

P. Djèlí Clark schließt mit den beiden Novellen direkt dort an, wo er im Roman aufgehört hat - sprich, die so einzigartige Zeichnung des Handlungsortes dient erneut als wunderbar stimmige und in den Details überraschende Kulisse, dazu gesellen sich übernatürliche Wesen, Ermittler und Frauen, die für ihre Rechte einstehen.

Clark schafft es dabei woke zu sein, ohne dass dies aufgesetzt wirkt. Seine entsprechenden Beschreibungen fügen sich stimmig in das präsentierte Bild ein, sein Plot strotzt vor Situationskomik und ganz eigenen Ideen. Dabei konzentriert er sich vorliegend auf die deduktische Auflösung der Rätsel, greift auf bekannte Motive zurück. Er unterhält ebenso rasant wie überraschend, und spannt ein interessantes, nicht immer in sich ganz logisches, aber faszinierendes Garn.

Wer also von dem Kairo der Dschinn, Engel und Agenten nicht genug bekommen kann, der hat hier höchst willkommenen Nachschub. Für alle, die diese so eigene Welt noch nicht kennen, eine Gelegenheit, einmal hineinzuschnuppern - aber Vorsicht, die Lektüre kann süchtig machen.