Maddrax 619: Totgesagte leben länger, Lucy Guth (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 19. Oktober 2023 11:06

Maddrax 619
Totgesagte leben länger
Lucy Guth
Bastei, 2023. Romanheft, 68 Seiten, 2,40 EUR
Rezension von Matthias Hesse
Wie schön, wenn der Titel noch das Uninspiriersteste an einem Roman ist. Schon das sattgrüne Cover und der Name der Autorin verheißen gute Unterhaltung, und die bekommt man dann auch prompt geliefert: „Totgesagte leben länger“ heißt der 619. Band der „Maddrax“-Serie und spielt mit dieser Binsenweisheit sowohl auf den ambivalenten Dak’kar an, der nach dem Sturz in eine mit pfahlgespickte Fallgrube in letzter Not gerettet wird, als auch die Weggefährten der zentralen Figur in dieser Geschichte: ein ehedem guter Freund und eine zahme Ratte. Denn Naiqui, soviel muss gespoilert werden, hat ihre Schwierigkeiten, sich von diesen wichtigen Bezugspersonen zu verabschieden.
Schon seit ihrer Geburt wird sie von ihrer Dorfgemeinschaft ausgegrenzt aufgrund eines dem Leser nicht näher definierten Makels, „Schande“ genannt. Zwar nimmt sich die Heilerin der Gemeinschaft des Mädchens an, doch als eine Katastrophe die Siedlung heimsucht und keine schützende Hand ihr mehr beistehen kann, erfährt die junge Frau die ganze Härte menschlicher Unmenschlichkeit - es bleibt nur die Flucht in die Einsamkeit. Doch diese tut Naiquis Geist nicht gut.
Die - vermeintliche - Retterin des oben erwähnten Da’kar ist also eben diese Person, und die Grundidee von Lucy Guths Prämisse aus „Misery“ hinlänglich bekannt. Ihr Domizil, eine Baumhaussiedlung aus der Zeit vor dem Kometeneinschlag, ist der originelle Schauplatz der gut erzählten Story, deren eigentliches Pfund aber die Rückblenden auf Naiquis Leben sind. Hier gelingt der Autorin das Kunststück, auf knappen Raum ein ewig schmerzhaftes Thema eindringlich zu verhandeln. Was es bedeutet, von Geburt an ein Sündenbock zu sein, wo man doch auch ein liebesbedürftiges, soziales Menschentier ist; wie die Härte, die Feigheit, der Gruppendruck, die Gewohnheit und der Sadismus der anderen Wunde um Wunde schlägt - das ist beim Lesen schmerzhaft. Lucy Guths unaufdringlicher Stil verstärkt den Effekt, denn weil er mir die Emotionalität nicht aufzwingt, kann die Lebensgeschichte Naiquis umso mehr berühren.
Natürlich kommen dann auch die bizarren, horrormäßigen Zutaten nicht zu kurz, der Titelheld tut sein Heldenhandwerk, in Haaleys Wahnsinn spiegelt sich die Naiquis Psychose, und so liegt ein Romanheft vor, das sowohl Serien-nerds als auch Gelegenheitslesende zufrieden zurücklassen wird. Twist inklusive.