Christina Henry: Der Knochenwald (Buch)

Christina Henry
Der Knochenwald
(Near the Bone, 2021)
Übersetzung: Sigrun Zühlke
Titelbild: Isabelle Hirtz
Penhaligon, 2023, Hardcover, 362 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Weit weg von der Zivilisation, in einer entlegenen Berghütte, leben sie: das Ehepaar Mattie und der deutlich ältere William. Dass dieser seine Frau beherrscht, dass er sie missbraucht und schlägt, das darf er, schließlich erlaubt ihm die Bibel, Gottes Wort, sein Handeln.

Eines Tages findet Mattie im Wald einen toten Fuchs. Etwas hat diesen bestialisch getötet, seine Innereien rund um den Kadaver verteilt. Die Spuren, die sie findet, kennt sie nicht - sie weisen auf etwas Großes hin, etwas Bestialisches. Als ein Schrei die kalte Höhenluft zum Erbeben bringt ahnt sie, dass neben William ein weiteres Monster sein Heim in den Bergen aufgeschlagen hat.

Zwei Monster, das ist ihr klar, sind eines zu viel. Kein Wunder, dass ihr Gatte sich an die Verfolgung des Rivalen macht - mit gar drastischen Folgen.

 

Christina Henrys neuer Roman ist wahrlich nichts für schwache Nerven! Es geht um Missbrauch in der Ehe, um einen cholerischen Gewaltmenschen, der seine Frau brutal und ohne Mitgefühl schlägt und von jeglichem Fremdkontakt abschirmt. Die entsprechenden Beschreibungen lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig - das nahm mich persönlich bei der Lektüre durchaus mit!

Neben diesem Tabu-Thema - Gewalt in der Ehe - nimmt als zweiter Handlungsstrang das neue Monster auf dem Berg eine Hauptrolle ein. Hier weist der Plot deutliche Horror- und Thriller-Elemente auf.

Ich wusste bei der Lektüre nicht, was mich mehr betroffen macht: der Missbrauch oder die Bedrohung durch das Monster. Beides wird deutlich, ja manches Mal grell beleuchtet. Insbesondere die einfühlsame Zeichnung Matties führt dazu, dass wir Leser uns mit ihr fast zu gut identifizieren können. Ihre Verzweiflung, ihr Versuch allen Widerständen zum Trotz nicht aufzugeben, zu überleben, sind sehr intensiv dargestellt. Ergänzt wird es durch die Furcht vor dem Unbekannten. Etwas verbirgt sich in den Höhlen oberhalb ihrer Hütte; was ist das für ein Wesen, das diese markerschütternden Schreie ausstößt? Das wirkt dann ebenfalls beklemmend, so dass der Roman insgesamt sehr bedrückend, dunkel ja furchteinflößend daherkommt. Es geht auch um die Frage: Was ist die größere Bestie - Mensch oder Monster?

So ist dies doch recht weit von den anfänglichen Märchen-Adaptionen der Verfasserin entfernt.

Der Verlag hat sich erneut große Mühe mit der äußeren Gestaltung gegeben: Hardcover mit Spotprägung und im Buchschnitt Spuren der Bestie wecken das Interesse der potentiellen Käufer.