Maddrax 616: Dak’kar, Michael Edelbrock / Maddrax 617: Fluch und Segen, Michael Edelbrock (Buch)

Maddrax 616
Dak’kar
Michael Edelbrock
Maddrax 617
Fluch und Segen
Michael Edelbrock
Bastei, 2023, Romanheft, 2023, je 68 Seiten, je 2,40 EUR

Rezension von Matthias Hesse

Dak’kar ist nicht nur der mysteriöse Unbekannte im aktuellen „Maddrax“-Serien-Geschehen. Dak’kar ist auch der Auftaktroman des großen Zweiteilers aus der Schreibwerkstatt von Michael Edelbrock, der das erste Drittel des aktuellen „Amraka“- Zyklus der Reihe abschließt. Edelbrock, der sich innerhalb kürzester Zeit neben Ian Rolf Hill als tragende Säule des aktuellen „Maddrax“-Autorenkaders etabliert hat, schickt sich also an, etwas Licht ins Dunkel um den rästselhaften Anführer einer Gemeinschaft ehemaliger Bunkermenschen zu bringen, die im Wrack eines gigantischen Flugzeugträgers in den Anden lebt und hochprofessionell Forschungen zu einem roten Kristall betreibt. Und dabei kaum moralische Skrupel zu kennen scheint; auch Menschen werden Opfer von Experimenten rund um den energieabsorbierenden Edelstein. Doch was motiviert diese Leute, und warum schotten sie sich mit geheimbündnerisch anmutender von ihrer Umwelt ab?

Mit der „Amraka“-Erzählung hat das Team um Bastei-Urgestein Michael „Mad Mike“ Schönenbröcher zu Jahresbeginn ein neues Kapitel in der ehrwürdig-postapokalyptischen Fantasy-Serie eröffnet. Ob die Abkehr von den inzwischen sehr SF-lastigen Plots eine Reaktion auf deutlich vernehmbares Murren der Leserschaft war oder es auch aus dramaturgischer Sicht höchste Zeit gewesen ist, mit dem Weg in den südamerikanischen Regenwald ein neues Setting zu eröffnen, ist schwer zu sagen. Mehr als 500 Jahre und einige globale, teils gar kosmische Katastrophen später jedenfalls ist der Dschungel um bizarre Flora und Fauna reicher, die dann auch reichlich für Atmosphäre und Gefahr in den bisher erschienenen Romanen sorgten.

So bestimmten die Rivalität zwischen einer telepathiebegabten Kollektivintelligenz von Ameisen und einer raumgreifenden Pilzkultur ebenso das Geschehen wie eine vermeintliche Jaguargöttin, die ihren Anhängern das Geheimnis der Kristallherstellung anvertraute.

Um also das Erreichen des Etappenziels, ein Drittel des Zyklus ist bewältigt, für eine kurze Zwischenbilanz zu nutzen: Der radikale Bruch in der Handlung hat sich durchaus gelohnt. Zwar waren die sogenannten Einzelabenteuer, die grob an die Beschaffung eines Funghizids angedockt waren, von Lucy Guths „Das Haus auf dem Hügel“ abgesehen eher enttäuschend, doch in der Gesamtschau lässt sich dieser Qualitätsknick durchaus verschmerzen, baut sich doch zur Zeit eine spannende, noch nicht komplett einsehbare Hintergrundstory auf, die Großes erwarten lässt.

Auch aus diesem Grund erweist sich Michael Edelbrock als der richtige Autor am richtigen Ort. Abgesehen von seinem astreinen Stil, der die Latte dessen, was Pulp heute sein kann, auch sprachlich ziemlich hoch hängt, vereinigen „Dak’kar“ und der zweite Roman „Fluch und Segen“ den Lebensweg des bärtigen Kommandanten mit anderen Ereignissen des Serien-Universums, die zum Teil weit in der Vergangenheit liegen. So sorgen die beiden Romane für einen reichhaltigen und konsistenten Weltenbau. Im derzeitigen Autorenteam verfügt wohl nur Edelbrock über den Biss und die Akribie, die ein Unterfangen mit diesem Anspruch braucht, um erstklassig zu werden.


Dak’kar also - ein junger Mann in der Bunkergemeinschaft Macapá, findet einen Splitter jenes roten Kristalls, der einen Blackout verursacht. Um die Forschungen seiner Mutter zu immunstabilisierenden Leukozyten voranzutreiben, die auf einer von den Hydritren gestohlenen Bionetik basieren, manipuliert er immer wieder die Stromversorgung der Community. Schließlich werden die Blutkörperchen freigegeben, die Bunkermenschen können wieder an der Oberfläche leben. Doch es gibt fatale Langzeitfolgen, wie sich erst nach einer Zeit der Blüte herausstellt. Eine Krankheit, die auch das Leben der Tochter Dak’kars bedroht.


Mit langem Atem und ohne Scheu vor großen Gefühlen und unauflösbaren Ambivalenzen erzählt der Autor das schillernde Leben der Figur, deren Größe und Tragik auch dem Titelhelden der Serie demütig werden lässt. Das Thema, das bereits zum Grundrauschen des „Amraka“-Zyklus geworden ist, entfaltet sich hier zu voller Größe: Was ist richtig, was ist falsch? Was ist böse, was ist gut? Ist die Seite, auf die ich mich stelle, wirklich die richtige? Edelbrock treibt seine Figuren in durchaus schmerzhafte Extreme, in denen diese Entscheidung, gar eine klare Sicht, wieder und wieder unmöglich scheint. Doch eine Entscheidung muss getroffen werden, denn es drängt die Zeit. So entsteht nicht nur Spannung, sondern auch menschliches Drama.

Mit diesem Zweiteiler erweist sich „Maddrax“ als Phantastik auf der Höhe der Zeit - einige frühere Romane, die sich teils lasen wie Abenteuer-Literatur aus finstersten Kolonialzeiten, ließen daran teilweise Zweifel aufkommen.