Janika Nowak: Das Lied der Banshee (Buch)

Janika Nowak
Das Lied der Banshee
Titelillustration von Timothy Lantz
Innenillustrationen von Nina Nowacki
Pan, 2011, Hardcover, 480 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-426-28339-4

Von Carsten Kuhr

Aileen hat es nicht leicht in ihrem Leben. Ihre Mutter starb bei der Geburt, ihr Vater wandte sich daraufhin der Flasche zu. Eigentlich ein Wunder, dass sie selbst nicht ins Drogenmilieu abrutschte. Stattdessen macht sie eine Lehre als Tischlerin, wohnt am Rande von Berlin in einem billigen Wohnheim und geht abends mit ihrem Kollegen Thomas ab und an zu Konzerten. Nach einem dieser Konzerte, sie ist auf dem Weg zur U-Bahn, wird sie von vier Skins verfolgt und gestellt,. Als diese grundlos beginnen sie zusammenzuschlagen, ja ein Messer zücken, beginnt sie zu schreien, wie noch nie in ihrem Leben. Fenster bersten, die Angreifer fallen zu Boden und bluten aus ihren Ohren.

Einen Tag später wird sie in ihrem Zimmer von riesigen Vögeln angegriffen. Harpyien setzen sich auf ihre Fährte, und nur dem Eingreifen des mysteriösen Macius ist es zu verdanken, dass sie nicht getötet wird. Macius hält einige Neuigkeiten für Aileen bereit, die sie kaum glauben kann. Sie soll die letzte der irischen Banshees sein, eine Nachfahrin der Luftgöttin Aither, und mit unglaublich starken magischen Kräften ausgestattet sein. Eine Macht, die irgendjemand so sehr fürchtet, dass er sie lieber tot sehen würde. Auf der Flucht vor dem Zyklopenwächter reisen sie gen Osten. Über Warschau, wo sie und Thomas ausgebildet und im Kampf geschult werden, geht es zu den Nymphen nach Moskau, zu den Gargoyles nach Belgrad und nach Paris, der Heimat der Stayren. Aileen sammelt Verbündete im Kampf gegen den Wächter und dessen finstere Helfer – doch kann man gegen einen von den Göttern eingesetzten und mit entsprechenden Gaben bedachten Wächter überhaupt bestehen, oder droht die Menschheit einmal mehr unterzugehen?

Janika Nowak präsentiert dem Leser in ihrem Debütroman ein Werk, das man zwar in das Regal der Urban Fantasy einordnen kann, das inhaltlich aber durchaus eigene Wege geht. Angesiedelt hat sie ihre Erzählung zunächst in Berlin, später verlagert sich die Handlung gen Osten.

Mit ihrer Ich-Erzählerin Aileen hat sie das perfekte Vehikel gefunden, um ihre Leser in die abenteuerliche Handlung zu ziehen. Die Siebzehnjährige verhält sich insbesondere zu Beginn altersgemäß, ist innerlich hin- und hergerissen zwischen ihrer Zuneigung zu Thoas, die sie aber sich selbst und ihm gegenüber nicht zugeben will. Als sich dann die übernatürlichen Erlebnisse auf ihr Leben auszuwirken beginnen, versucht sie diese zunächst zu leugnen, später bekommt sie Angst. Das ist nachvollziehbar, sowohl was die Verleugnung als auch was die Ablehnung anbelangt. Erst nach und nach freundet sie sich mit ihren Kräften an, handelt aber weiterhin impulsiv und überhastet. Dass dies nicht immer zu ihrem Vorteil ist kann man verstehen, gleichzeitig trägt diese Darstellung jedoch auch zur inneren Überzeugungskraft des Romans bei.

Die Ausgestaltung der übernatürlichen Welt ist erfreulich eigenständig, wobei sich die Autorin vornehmlich aus dem Sagen- und Mythenfundus bedient, während sie die sonst so beliebten Vampir und Werwesen erfreulicherweise außen vor lässt. Das hat Tempo, liest sich angenehm und spannend und wandelt auf eigenen Pfaden – so braucht sich die einheimische Phantastik wahrlich nicht vor den angloamerikanischen Vorbildern verstecken.