Kelley Armstrong: Seelennacht – Die dunklen Mächte 2 (Buch)

Kelley Armstrong
Seelennacht
Die dunklen Mächte 2
(The Awakening)
Aus dem kanadischen Englisch übersetzt von Christina Gaspard
Titelillustration von Mark Andersen
Pan, 2010, Hardcover, 366 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-426-28342-4

Von Carsten Kuhr

Die fünfzehnjährige Chloe Sanders kann, seitdem sie erstmals ihre Periode bekommen hat, Geister sehen. Zumindest glaubte sie dies, so dass die Männer in den weißen Kitteln sie aus ihrer Schule abholten und in das Lyle House brachten. Einem Heim für geistig problematische Kinder aus begütertem Haus.

Nur dass Chloe dort nicht die Einzige ist, die mit paranormalen Gaben gesegnet ist. Ich verrate Ihnen nun ein Geheimnis – Chloe kann als Nekromantin nämlich wirklich Geister sehen und beschwören! Eigentlich wollte sie ja in die Fußstapfen von Steven Spielberg treten und Filme machen, doch jetzt hat sie ganz andere Sorgen. Zusammen mit anderen paranormal begabten Jugendlichen ist sie aus Lyle House geflohen, wurde aber von der Edison Group verfolgt und wieder eingefangen. Im Hauptquartier ihrer Häscher entdeckt sie, dass die Insassen des Lyle Houses alle gentechnisch veränderte Paranormale sind. Während die Meisten mit ihrer Gabe leichter umgehen können, kommt es bei Einigen der in vitro gezeugten und veränderten Kinder zu einer Steigerung ihrer Fähigkeiten, die sie unkontrollierbar macht. Sollte es nicht gelingen, sie zu bändigen, müssen die Experimente terminiert werden. Drei Kinder wurden bereits getötet, zwei weitere, Chloe und Derek, stehen noch auf der Liste derer, die vielleicht unter den nicht Kontrollierbaren aufzunehmen und umzubringen sind. Zwar gelingt es Chloe zusammen mit Tori zu fliehen und sich mit Simon und Derek zusammenzutun, doch werden sie es trotz ihrer übernatürlichen Kräfte auf Dauer schaffen, ihren Häschern zu entgehen?

Wie so viele Mittelromane von Trilogien hat vorliegendes Werk seine Probleme, den Leser wirklich zu fesseln. Zuviel darf nicht passieren und offenbart werden, sonst bleibt für das Finale kein Knaller übrig, dennoch sollte der Leser nicht gelangweilt werden. Was bleibt einem Autor da also anderes übrig, als seine Protagonisten in nicht ganz so gravierende Gefahr zu bringen, aus der sie sich dann, oh Wunder, natürlich befreien können. Das lässt vorliegend ein wenig die ganz große Dramatik vermissen, unterhält zwar ganz nett, ohne aber wirklich zu fesseln. Zu eindeutig ist die Grundanlage, als dass wir wirklich um Chloe zittern würden.

Das heißt nun aber nicht, dass der Text nicht ein paar Überraschungen in Petto haben würde. Wir lernen die Hintergründe rund um das Lyle House kennen, erfahren, wer für die Kräfte der jungen Menschen verantwortlich ist – und Chloe erkundet ihrer nekromantischen Fähigkeiten weiter. Sei es, dass sie Fledermäuse wiederbelebt, einen erfrorenen Stadtstreicher auf die andere Seite zieht oder mit ihrer verstorbenen Freundin Kontakt aufnimmt. Diese Szenen gehören zu den Highlights des Buches. Abseits der gängigen Zombie-Versatzstücke erleben wir mit, wie ihre Kräfte dem jungen Mädchen Angst machen, wie sie diese trotzdem austestet und sich langsam an die Beherrschung der Toten herantastet. Dabei entwickelt sie sich charakterlich weiter, übernimmt Verantwortung für sich und andere, wird von den Geschehnissen, von Enttäuschungen wie auch von positiven Überraschungen geprägt.