Ben Aaronovitch. Die schlafenden Geister des Lake Superior (Buch)

Ben Aaronovitch
Die schlafenden Geister des Lake Superior
(Winter Gifts, 2023)
Übersetzung: Christine Blum
dtv, 2023, Paperback, 330 Seiten, 11,95 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Nicht nur Scotland Yard und das BKA, sondern auch die US-Behörden haben eine Abteilung für Verbrechensbekämpfung, die sich ausschließlich mit seltsamen, wie übernatürlichen Begebenheiten befasst. Allerdings, schließlich sind wir im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und des Gigantismus, haben die Amis gleich mehrere Dienste, die sich professionell mit dem Absonderlichen beschäftigen.

Beim FBI hat Kimberly Reynolds, unfreiwillig versteht sich, bei ihrem Gastspiel in Großbritannien den Finger gereckt und sich einen Namen in diesen Dingen gemacht. Jeder, aber auch wirklich jeder ist froh, dass man in ihr eine Beamtin hat, die sich mit diesen Dingen beschäftigt; schließlich ist man dann selbst aus der Schusslinie - denn merke: Meriten kann man sich da keine verdienen.

Ein Ex-Kollege aus dem kalten, abgelegenen Wisconsin meldet sich im Hauptquartier und weist auf eine übernatürliche Bedrohungslage in seiner Heimat hin. 1843 verschwand hier eine Expedition rechter Nationalisten, die der indigenen Bevölkerung nicht unbedingt freundlich gegenüberstanden.

Nun, mehr als einhundert Jahre später, regt sich etwas hier - im eisigen Winter toben Tornados über den See, die Inseln und die Ansiedlungen, Menschen verschwinden, Vestigia ist zu spüren und dann tauchen auch noch untote, belebte Mensch-Tierwesen auf - sind die indigenen Stämme auf dem Kriegspfad oder was steckt hinter den Vorkommnissen, die auch die Aufmerksamkeit der Hexen aus New Orleans auf sich gezogen hat?


Ben Aaronovitchs kürzere Abstecher zum FBI und BKA erfreuen sich bei uns regen Zuspruchs. Im angloamerikanischen Sprachraum sind diese Novellen nicht ganz so gefragt, wie die Romane um Peter Grant und das Folly. Es ist nun müßig darüber zu spekulieren, warum die Fans der Serie die Abstecher nicht ganz so goutieren, wie die Serienromane - der Verfasser selbst plant immerhin gerade den nächsten Band um die BKA-Sondereinheit.

Dies vorausgeschickt zu vorliegendem Kurzroman.

Kimberly Reynolds wird uns als streng gläubig erzogene Frau beschrieben, die außer ihrer Arbeit gerade wenig kennt. Sie trifft im unwirtlichen Wisconsin nicht nur auf übernatürliche Rätsel, sondern auch auf interessant angelegte Figuren. Hier inkludiert Aaronovitch geschickt geschichtliche Ereignisse, indigene Probleme und Zwischenmenschliches.

Allerdings bleibt, vielleicht der relativen Kürze des Texts geschuldet, die Darstellung der indigenen Stämme der Region sehr oberflächlich. Auch die Hauptfigur bleibt leider lange Zeit relativ diffus. Kimberly wird uns zwar ein wenig genauer vorgestellt, wir erfahren woher sie stammt, warum sie zum FBI ging - arg viel mehr aber leider nicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Autor mit ihr als Erzählerin nicht wirklich warm wurde.

Interessanter dabei zwei andere Figuren: ein Kollege vom Amt für indigene Angelegenheiten und ein Meteorologe mit indigener Abstammung. Ich hätte gerne mehr über einige der Figuren, die Kimberly begegnen, erfahren; auch dies fiel wohl der Kürze des Textes zum Opfer.

Der Showdown bewegt sich dann im üblichen Horror-Bereich: Held gegen Monster - letztlich fehlt ein wenig der besondere Flair, der die Reihe sonst aus den anderen Urban-Fantasy-Romanen heraushebt. Insoweit nicht unbedingt der beste Text aus dem Folly-Universum - zwar durchaus kurzweilig lesbar, aber ohne die beißende Gesellschaftskritik und den sonst üblichen hintergründigen Humor.

Zu erwähnen ist noch, dass vorliegender Text dank des Besuchs des Verfassers auf der Leipziger Buchmesse als Welterstveröffentlichung bei dtv erscheint.