Jodi Taylor: Doktor Maxwells bedenklicher Zeitvertreib (Buch)

Jodi Taylor
Doktor Maxwells bedenklicher Zeitvertreib
(And the Rest ist History, 2019)
Übersetzung: Marianne Schmidt
Blanvalet, 2023, Taschenbuch, 558 Seiten, 12,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen im Institut für historische Forschungen auf dem Stiftsgelände des St. Mary’s - kurz, wie wir alle sagen, dem St. Mary’s. Hier, weit abseits der internationalen Forschungszentren, machen wir unsere Arbeit. Wir, das sind ein Haufen recht verrückter - und dies ist noch zurückhaltend und überaus vornehm-gemäßigt ausgedrückt - Wissenschaftler mit historischem Abschluss und ein paar Techniker. Technik und Vergangenheitsforschung - wie das zusammenpasst; da kommt unser wohl gehütetes Geheimnis ins Spiel. Das St. Mary’s untersucht historische Ereignisse in zeitgenössischer Umgebung - man kann es auch Zeitreisen nennen… nur sind diese, wie bekannt, ja wissenschaftlich nicht möglich.

Gestatten, dass ich mich vorstelle? Dr. Madeleine Maxwell, besser bekannt unter dem Namen Max, studierte Geschichtswissenschaftlerin und Missionschefin der Historischen Abteilung des St. Mary’s.

Seit ein paar Jahren bin ich nun in der Vergangenheit unterwegs, habe Troja, die alten Griechen, Ägypten und unsere Englische Geschichte besucht und bestaunt. Ich durfte historische Gestalten zuhauf während ihres geschichtsträchtigen Wirkens beobachten. Seitdem ich eine Mama bin, ist es etwas, nein, ich will ehrlich sein, sehr viel ruhiger und langweiliger geworden.

Meine Nemesis, Ronan, der Mann, der mich gejagt und unzählige Male umbringen wollte, kann mir gestohlen bleiben. Soll er sich doch ein neues Opfer suchen - dachte ich, bis er eines Tages am See von St. Mary’s auftauchte und schlicht - kapitulierte. Ronan und so mir nichts, dir nichts aufgeben? Das passt irgendwie nicht, das glaube ich nicht wirklich. Um die Verhandlungen zu führen, reisen wir beide - auf getrennten Pfaden versteht sich - ins antike Ägypten. Hier, inmitten der lebensfeindlichen Wüste, wäre ein Hinterhalt auf Kilometer hinweg zu sehen - beste Voraussetzungen für die anstehenden Kapitulationsverhandlungen.

Dass eine verschollene ägyptische Armee mit 50.000 Mann vorbeimarschiert - na ja, eher trabt - ist verständlich. Jetzt weiß ich nämlich auch, warum man von den Soldaten nie wieder etwas gehört hat. Ein Sandsturm, nein, die Mutter aller Sandstürme ist hinter ihnen her - der Kollateralschaden sind zwei gelernte, verfeindete Historiker, die im wahrsten Sinne des Wortes bei lebendigem Leib sandgetrahlt werden; dann mischt sich die Zeitpolizei ein und alles geht - wie gewohnt - mal wieder den Bach runter… so wie in viel zu viele, eigentlich alle, tote Freunde, entführtes Baby, die Schlacht um Konstantinopel - ich werde meinem Ruf als Todesengel für alle um mich herum einmal wieder mehr als gerecht.


Wie bekannt liebe ich bei Jodi Taylors Zeitreise-Geschichten insbesondere die Parts, in denen sie uns versiert und gut recherchiert von Ereignissen aus der Vergangenheit berichtet. Immer dann, wenn sie den James Bond eingepackt lässt und sich stattdessen auf den Discovery Channel konzentriert, wird die Lektüre unheimlich interessant, lehrreich und spannend.

Vorliegend hält sie neben den Ereignissen, die zur Schlacht um Hastings (Kampf der Normannen gegen die Sachsen um die Königswürde Englands) führten und diesen Kampf selbst auch jede Menge dramatischer Wendungen und Verluste für uns bereit. Die Taschentücher dürften triefend nass werden, während man Max’ unheimliche Serie an traumatischen Ereignissen und Verlusten verfolgt.

Dabei beschreibt uns die Verfasserin durchaus einfühlsam und real wirkend die innere Leere, die unsere Erzählerin angesichts der Verluste heimsucht. Auch wenn diese Passagen ungewohnt statisch, ja fast in Zeitlupe - verglichen zu den sonstigen Plots - rüberkommen, sie zeigen uns ein anderes, ein neues Bild unserer Protagonistin. Vorbei ist es mit der impulsiven, ja überbrodelnden Draufgängerin, hier leidet ein Mensch - und genau dieses nachvollziehbare Leid wird uns überzeugend geschildert.

Ohne zu viel spoilern zu wollen geht es um Trauer, um die Verarbeitung von Verlust, um Vertrauen, das neu aufgebaut und akzeptiert werden muss, um Loslassen und um Verantwortung, die dafür sogt, dass man jeden Tag aufsteht und schlicht weitermacht.

Dass es dabei dann naturgemäß - anders kann Jodi Taylor wohl auch nicht - einige durchaus martialische Kampf- und Schlachtbeschreibungen gibt, dass Gliedmaßen abgehauen, Menschen geköpft, Frauen und Kinder martialisch geschlachtet werden, ist fast schon wieder zu viel für die langsamen Passagen des Romans.

Dabei haben eben diese der Reihe gut getan. Die belastenden, verzweifelnden Gefühle unserer Erzählerin verankern den Zyklus in der Wirklichkeit, ohne dass die Spannung der Action verlorengeht.

Natürlich sind es wieder viel zu viele Zufälle, die Max ein ums andere Mal helfen und sie voranbringen, sind die Gefahren, die sie übersteht und die Entwicklungen bei denen sie letztlich obsiegt - nicht triumphiert - in sich unlogisch, doch auch dieser Roman birgt für die Leserin respektive den Rezipienten wieder genau das was der Leser sucht: jede Menge Spannung, Dramatik und Beschreibungen der Vergangenheit - gewürzt mit Blockbuster-Action satt. Fortsetzung folgt.