Chris Priestley: Onkel Montagues Schauergeschichten (Buch)

Chris Priestley
Onkel Montagues Schauergeschichten
(Uncle Montague’s Tales of Horror)
Aus dem Englischen übersetzt von Beatrice Howeg
Illustrationen von David Roberts
Bloomsbury, 2010, Hardcover, 224 Seiten, 15,90 EUR, ISBN 978-3-8270-5371-8

Von Carsten Kuhr

Edgar ist ein aufgeweckter, jedoch auch etwas blasierter Junge. Im Lyceum erhält er seine Bildung, so dass ihn die Kinder seines kleinen Dörfchens mit Argwohn aber auch Neid betrachten. Gleichaltrige Freunde hat er darum keine. Stattdessen hat er einen entfernten Verwandten – ob es nun sein Ur-Ur- und weiß Gott wie viele Urs noch Großonkel ist sei einmal dahingestellt, wenn Edgars etwas weltfremde Eltern ihr einziges Kind loswerden wollen, dann begibt sich ihr Jüngling fluchs durch den einsamen Wald ins Haus seines Onkels.

Und hier, im Schein des flackernden Kaminfeuers, bekommt er Geschichten erzählt. Geschichten, die nicht Friede, Freude, Eierkuchen zum Thema haben, ja nicht einmal von wilden Piraten, Indianern oder sonstigen Abenteuern zu berichten wissen, nein, Onkel Montague erzählt Schauergeschichten um die vielen Relikte und Mitbringsel, die die Wände seines Arbeitszimmers zieren. Und er deutet an, dass diese nicht nur verstörend, sondern auch noch wahr sein sollen! Sei es die Geschichte von der alten Esche, die weit oben in ihrer Krone die Schätze derer, die ihr Bewohner zu Tode gebracht hat, hütet, oder das Medium, das von einer Toten durch die Nicht-Tür ins Puppenhaus gelockt wird, gar nicht zu reden von dem Dämon, der von einem Kesselflicker zu einem kleinen Jungen wechselt und diesen mit seinen Wahrheiten malträtiert. Darauf folgt die Geschichte eines von einem Dämon besessenen Pfarrhauses und die Mär von einer Hexe, die ihren Apfelbäumen immer wieder neue, menschliche Setzlinge zukommen lässt. Eine drei Wünsche erfüllende Fotografie in einem Goldrahmen beweist einmal mehr, dass die derartigen Geschenke nur zu oft teuer bezahlt werden müssen. Anschließend geht es in den Orient. In der tiefsten Türkei stoßen ein englischer Reiseschriftsteller und Maler sowie dessen missratener Sohn auf eine Dschinn – eine der wirklich schlimmen Sorte. Dann geht der Geist der Ermordeten in einem hochherrschaftlichen Anwesen um, und schließlich begleiten wir einen Schäferjungen bei seinem Versuch, der vorgezeichneten Zukunft in den Hügeln seiner Heimat zu entgehen.

Wie sagt Onkel Montague so treffend: Er ist ein Sammler des nicht Gewollten, des Verwunschenen, des Verfluchten – des Verdammten. Und zu jedem der Schmerz ausstrahlenden Gegenstände, die so in seinen Besitz gekommen sind, weiß er eine meist traurige, furchteinflößende Fabel zu erzählen. Sein Anwesen ist ein Magnet für Wesen aus der Schattenwelt – und sein Onkel nicht etwa der Hüter der schrecklichen Erinnerungen, sondern ein Eingekerkerter, der für seine Untaten schrecklich büßen muss.

Das ist oft ergreifend, immer schockierend und in bester Schauertradition. Eine Empfehlung auf jeden Fall wert.