Judith & Christian Vogt: Schildmaid: Das Lied der Skaldin (Buch)

Judith & Christian Vogt
Schildmaid: Das Lied der Skaldin
Piper, 2022, Paperback, 446 Seiten, 16,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Es war eine andere, eine finsterere Zeit, einst, da die nordischen Völker, von Not getrieben, ihre Langboote zu Wasser ließen und auf Viking fuhren. Bemannt mit Berserkern suchten sie die Küsten Anglias und der Franken heim, nahmen Beute und Leibeigene mit nach Hause. Das Leben war gefährlich, so mancher tapfere Krieger kehrte nicht heim; ihre Frauen blieben zurück… sofern sie noch im gebärfähigen Alter waren, suchten ihre Brüder für die Witwen einen neuen Mann.

Eyvor, deren Mann einst der beste Langboot-Bauer der Umgebung war, blieb nach dem Tod ihres Mannes allein. Während ihre Verwandten vom Fieber dahingerafft wurden, hatte die Gottheit mir ihr andere Pläne.

Zunächst alleine, später gesellen sich andere Frauen - allesamt Einzelgängerinnen - zu ihr, legt sie im Wald des heimischen Fjords ein Drachenboot auf Kiel. Niemand traute der verrückte Frau zu, ihr Ziel zu erreichen - eine Frau als Bootsbauer, Frauen als Mannschaft eines Langboots; undenkbar, gehören sie doch, wie es die Tradition verlangt, zu und mit ihren Kindern an Heim und Herd.

Doch dann machen sich Eyvor und ihre Mannschaft, verfolgt von Berserkern auf die Fahrt - die Meeresgöttin Rán hat eine Queste für sie in petto.

Sie stranden mit „Skjaldmaer“ – „Schildmaid“ -, wie sie ihr Schiff getauft haben, auf dem Meeresboden, die Wassermassen toben um sie herum, während sie die große Halle einer lange vergessenen Amazonen-Königin betreten. Auf dem Dach stoßen sie auf die Untote, die ihnen ihren göttlichen Auftrag mitteilt: Es gilt ins Land der Eisriesen zu fahren und den Frostriesen Jökull zu erschlagen, um Ragnarök zu verhindern - wahrlich keine einfache Aufgabe für ein Boot voller unnützer und schwächlicher Frauen…


Judith und Christian Vogt gehören zu den Autoren, die in den letzten Jahren einzeln oder zusammen sehr viele, inhaltlich ganz unterschiedliche Bücher publiziert haben. Was einst bei Feder & Schwert mit dem Steampunk-Roman „Die verlorene Puppe“ begann, bei Lübbe mit der Fantasy-Trilogie um die 13 Gezeichneten fortgesetzt wurde, mit „Roma Nova“ (Lübbe) und „Ace in Space“ (Ach Je Verlag) ins All entführte, uns bei Knaur ein dystopisches „Wasteland“ anbot, das mündet nun also in einen feministischen Wikinger-Roman; ja diverse DSA- und „Splittermond“-Romane gab es auch noch, nicht zu vergessen mit „Anarchie Deco“ einen Urban-Fantasy-Titel bei Tor, der in den 20ern angesiedelt ist.

All diesen inhaltlich so ganz unterschiedlichen Werken ist eines gemeinsam: immer machen sich die beiden Autoren für Toleranz stark, es geht um Gleichberechtigung, um Akzeptanz queerer Beziehungen.

Nun kann dies eine wahre Krux sein, wenn Verfasser unterschiedlichster Couleur uns wichtige Botschaften zu vermitteln trachten. Bei den Vogts aber sind eben jene Botschaften immer wunderbar stimmig in die jeweilige Handlung verpackt. Vorliegender Roman ist hier keine Ausnahme.

Sorgfältig recherchiert - wir erfahren so Manches über die altnordische Götterwelt und das Leben der Wikinger - halten die Verfasser ein wunderbares Abenteuer für uns bereit. Dabei begegnen uns einfühlsam gezeichnete Figuren, die beileibe nicht einfach so triumphieren. Verfolgt, später im Wettstreit mit dem Langboot eines der Ehemänner eines Besatzungsmitglieds, haben es unsere Frauen wahrlich nicht leicht. Sie müssen lernen, so manches mal viel Lehrgeld bezahlen und sich auf dem Meer zurechtzufinden, zu kämpfen und zu überleben.

Alle sind sie Außenseiter, wollen sich nicht mehr ins patriarchische Rollenklischee einfügen, an persönlicher Entfaltung gehindert werden. Dass sie dabei durchaus auch brutal vorgehen, ist da nur stimmig.

Dass die Frauen zu Beginn Mühe haben zusammenzufinden, sich von ihren anerzogenen Rollenbildern zu lösen, auch immer wieder mental wie körperlich an Grenzen stoßen sorgt für zusätzliche Spannung und Dramatik. Zusammen, als eingeschworene Bootsgemeinschaft, suchen und finden sie dann unkonventionelle Lösungen für ihre Probleme, es bauen sich Vertrauen, Beziehungen und Liebschaften untereinander auf - doch all dies braucht Zeit, geht nicht von heute auf morgen und genau dies stellen unsere Verfasser auch im Roman entsprechend dar.

Die Autoren haben dem Band im Anhang ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen und dem Götter-Pantheon beigegeben sowie im Nachwort in Bezug auf den Schöpfungsprozess und die Recherchen ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert.

Das packende, inhaltlich wunderbar unerwartet andere Finale bringt den spannenden Roman dann zu einem in sich befriedigenden Ende.

So muss moderne Fantasy sein, so kann man wichtige Themen angenehm spannend zu lesen verpacken.