Rick Yancey: Der Monstrumologe (Buch)

Rick Yancey
Der Monstrumologe
(The Montrumologist)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Axel Franken
Titelillustration von Jacopo Bruno
Lübbe, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 412 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-37857-6040-6

Von Carsten Kuhr

Amerika im Jahre des Herrn 1888. Nach dem Tod seiner Eltern, die vom Feuer in ihrem Haus verzehrt wurden, nahm Dr. Warthrop sich des Waisenjungen Will Henry an. Wie sein Vater vor ihm soll der Junge den exzentrischen Wissenschaftler bei dessen Forschungen unterstützen und dafür sorgen, dass dieser bei all der Arbeit das Essen nicht vergisst.

Was in New Jerusalem kaum einer ahnt ist, dass sich Dr. Warthrop nicht nur als Philosoph betätigt, sondern auch der höchst respektieren, aber auch geheimen Gesellschaft der Monstrumologen angehört. Die Erforschung und, so es denn Not tut, die Jagd auf Monster, das ist, wie allenthalben bekannt, eigentlich nur etwas für abgedrehte Spinner. So zumindest dachte auch Will, bis der örtliche Leichendieb und Schänder der Gräber eines Nachts einen Fund an der Hintertür des Hauses abliefert. In das vergilbte, stockfleckige Leichentuch eingeschlagen erwartet den Jungen einen Anblick, den er sein Lebtag nicht vergessen wird. Ein Etwas, ein Wesen hat sich in den Leib der Leiche eines jungen Mädchens verbissen. Ein Monster, das der Monstrumologe ohne große Schwierigkeiten als Anthropohagen identifiziert. In Afrika heimisch, suchten die kopflosen Menschenfresser aus der tiefsten Vergangenheit der Evolution dort die Bewohner heim. Kopflos, die Augen in der Schulterpartie, der mit haifischähnlichen Zähnen reich bestückte Mund im Bauchbereich, das kleine Gehirn im Abdomen situiert, galten sie fast schon als ausgerottet. Nun sind sie unterhalb des Friedhofs von New Jerusalem ansässig, und der gute Doktor, sein Assistent, ein herbeigerufener Monstrumologenjäger und der örtliche Sheriff machen sich auf, die gefährliche Brut auszurotten – auch und gerade, weil diese sich als geschickte Menschenjäger erweisen. So ganz nebenbei kommen sie dabei noch einer Intrige aus dem Sezessionskrieg auf die Spur und stoßen auf das große Geheimnis des Verstorbenen Dr Warthrop Senior...

Der moderne Gruselroman ist tot – so zumindest schallt es uns überall entgegen. Dass dem nicht so ist beweist vorliegendes Buch aus der Feder eines bislang vornehmlich im Jugendbuch publizierenden Autors, das es in sich hat. Mit vielen unzähligen, liebevollen Illustrationen und mit einem heraustrennbaren Lesezeichen versehen, wartet ein absonderliches, grausames und höchst unterhaltsames Lesevergnügen den – hoffentlich – erwachsenen Leser. Was sich auf den ersten gut fünfzig Seiten geruhsam, ja fast ein wenig behäbig anschickt, das nimmt in der Folgezeit unheimlich Tempo auf. Es geht, verpackt in einer Tom-Sawyer-Kulisse, um nicht weniger als den Einfall grauenvoller Menschenfresser in eine zunächst scheinbar heile Welt. Der Pfarrer liest die Predigt, die Menschen sind fleißig und gläubig, der Mittelwesten, wie man ihn sich idyllischer kaum vorstellen kann. Umso schauriger dann die Invasion der Anthropophagen, die vom beißenden Hunger getrieben ihrem naturgegebenen Jagdinstinkt nachgehen. Da wird nicht weichgespült, beschönigt oder verharmlost, da fährt der Autor auf, was seine Leser schockt. Maden winden sich in offenen Wunden, Köpfe zerplatzen als Kugeln sie treffen, Innereien fliegen umher, der Kampf fordert von seinen Streitern und den Lesern alles ab. Das Gebotene überschreitet dabei aber nie die Grenzen des guten Geschmacks, ja, so manches Mal schleicht sich gar eine Spur schwarzen Humors in die Ich-Erzählung ein.

Stilistisch zunächst ein wenig ungewöhnlich, weil auf alt getrimmt liest sich der Text mit zunehmender Dauer immer faszinierender, taucht der Leser ganz in die packende Handlung ein.

Sicherlich kein Kinder- oder Jugendbuch, auch für Zartbesaitete nicht unbedingt die passende Bettlektüre, dafür aber werden Horrorfans den Auftaktroman dieser Serie lieben und verschlingen.