Der Herr der Finsternis (Comic)

Der Herr der Finsternis
(1. Das Buch Haleth; 2. Wiedergeburt; 3. Die Purpurgarde; 4. Die neue Zeit)
(Le Seigneur d’ombre, Tomes 1 à 4)
Szenarist: Jean-Luc Istin
Zeichnungen & Farben: Dim. D
Übersetzung: Resel Rebiersch
Lettering: Gross & Dinter
Ehapa, 2009, Hardcover, 192 Seiten, 39,95 EUR, ISBN 978-3-7704-3307-0

Von Britta van den Boom

Fedath, der Sohn des Gottes Hafgan und der Dunkelelfe Ethfang, überzieht die Welt Dyfed als Herr der Finsternis mit seiner Armee aus Orks und Banshees mit Krieg und Vernichtung. Dabei hat er in Gestalt dreier abtrünniger Magier aus dem Kreis der Ravenfelds mächtige Handlanger, die als seine Generäle die Truppen anführen, auch gegen die Zwergenfestung Gandaar, die nur durch das Eingreifen von König Bedwyr und dem Magier Bran gerettet werden kann.

Doch Bran weiß, dass dieser Sieg gegen die Finsternis nicht genug sein kann, und macht sich auf eine lange Suche nach dem einzigen Artefakt, das mächtig genug ist, Fedath nicht nur zu töten, sondern wahrhaftig zu vernichten. Es ist der Schöpferstein Atanys, einst von Hafgan erschaffen, um mit ihm die Völker Dyfeds in die Welt zu rufen, doch später von Ethfang korrumpiert und letztlich zerstört wurde.

Brans Reise führt ihn nicht nur durch die ganze Welt Dyfed, sondern auch tief in seine eigenen Abgründe, denn nur wenn es ihm gelingt, die Dunkelheit in sich selber zu besiegen, hat er eine Chance, den Schöpferstein wieder zu erwecken und ihn als ultimative Waffe einzusetzen – nur wenn er selber göttergleich wird, kann er den Sohn des Gottes besiegen. Auf seinem Weg schließen sich ihm zwei ungleiche Gefährten an: die Elfe Aelfinn, der es nach Rache für ihre getötete Sippe verlangt und die er als Schülerin annimmt, sowie die stumme kleine Elwood Ednah. Mit ihnen zieht er über Eismeere und durch Wüsten, erst auf der Suche nach einem alchemistischen Buch, das die Wiedererweckung des Schöpfersteins beschreibt und das Brans Seele tiefgreifend verändert, dann weiter zur letzten Konfrontation mit dem Herrn der Finsternis in seinem eigenen Reich, wo sich König Bedwyr, die Purpurgarde und alle anderen Verbündeten in einer letzten verzweifelten Schlacht gegen die dunklen Horden werfen.

Als Faedath und Bran aufeinander treffen, entscheidet sich das Schicksal von Dyfed zwischen Finsternis und Licht.

Die Geschichte um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Dunkelheit ist überaus klassisch, und es fällt bereits auf den ersten Seiten auf, dass der Szenario-Schreiber Istin sich stellenweise sehr eng an bestehende Vorlagen hält – gerade die Schlacht um die Zwergenfestung, die die Queste von Bran einleitet, erinnert stellenweise so stark an den Kampf um Helms Klamm aus dem „Herrn der Ringe“, dass es schwerfällt, sie als eigenständige Idee wahrzunehmen. Ebenso ist es mit der Gestalt Brans, der sich von einem einfachen Ravenfeld-Magier durch seine Wanderungen und Erlebnisse zu einer ‚weißen‘, erleuchteten Version seiner selbst verwandelt, so dass auch hier Vergleiche mit Tolkiens Zauberer Gandalf naheliegen. Vorher jedoch beginnt sich Istin seine Anregungen aus einer anderen Quelle zu holen, als er Bran in der Wüstenstadt Illahkalaun zu einem Messias macht, der die korrumpierte Kirche des Gottes Hafgan durch Güte und Gnade zu reformieren beginnt, die Menschen von irrigen Glaubenssätzen erlöst und für seine Tätigkeit als Heilbringer in der Arena geopfert werden soll. Diese überaus klassischen Einflüsse von dem „Herrn der Ringe“ und der „Bibel“ hinterlassen einen eher unangenehmen Nachgeschmack.

Sicherlich ist es nicht nötig, das Rad komplett neu zu erfinden, um eine gute und überzeugende Geschichte zu erzählen, doch die gelegentliche allzu große Nähe zu bestehenden Vorlagen raubt der Erzählung ihre Eigenständigkeit und Spannung. Angenehm dagegen ist, dass sich Istin die Zeit nimmt, gefühlvoll die Gedanken und Erlebnisse seiner Protagonisten darzustellen, so dass es nicht nur aktionsreiche Szenen gibt, sondern auch stille, einfühlsame Momente und schöne Rückblicke, wobei sich der Autor gegen Ende des vierten Bandes der Sammlung, „Die neue Zeit“, gelegentlich etwas zu beeilen scheint, um die Geschichte voran zu treiben und zu ihrem Finale zu bringen, wodurch sie leicht mosaikhaft wird.

Mag auch das Szenario von „Der Herr der Finsternis“ zuweilen nicht zu überzeugen, so schaffen es die Zeichnungen und Kolorierungen von Dim D., diese Schwächen perfekt auszugleichen. Vom kleinsten Bild bis hin zu den detailreichen, doppelseitigen Panoramaseiten scheint jede Darstellung ein kleines Gemälde zu sein, mit einer oft düsteren, aber stets stimmigen Farbgebung, abwechslungsreichen Perspektiven, wunderbaren architektonischen Darstellungen und viel Harmonie in den Bewegungen und der Mimik der Personen. Einzig die ersten Sequenzen bei der Schlacht um die Zwergenfestung wirken hier und dort noch etwas steif, die Zwerge wie Karikaturen, ein Effekt, der aber im weiteren Verlauf fast gänzlich verschwindet. Dim Ds. Kunst macht den Comic zu einem beeindruckenden und sehr ästhetischen Grafikband, bei dem es sich lohnt, gerade bei größeren Panoramen länger zu verweilen, so dass die Erzählung selber stellenweise hinter dem optischen Genuss zurück tritt. Diese Art der Comicmalerei – denn das Wort ‚Zeichnung‘ will nicht passen – hätte durchaus eine bessere Geschichte verdient, um eine insgesamt überzeugende Einheit zu bilden.

Das Hardcover von Ehapa mit den 190 vollfarbigen Seiten auf gutem Papier lässt mit Blick auf die Qualität keine Wünsche offen. Es wäre schön gewesen, noch ein paar zusätzliche Informationen über den Autor, den Zeichner und die Entstehung der vier Comicbände zu bekommen, die über eine angehängte Seite mit Danksagungen der Beteiligten hinaus geht, doch fällt das kaum ins Gewicht. Wunderbar ist auf jeden Fall, die gesamte Geschichte abgeschlossen vorliegen zu haben, ohne auf Folgebände warten zu müssen. Liebhaber traditioneller Fantasy-Epen und schöner Comickunst können sich demnach mit „Der Herr der Finsternis“ auf lange und eindrucksvolle Lesestunden freuen.